Neues Terrain: Auf ins Engadin zum Ötillö

Spontane Entscheidungen sind meistens die besten. Zwei Wochen vor dem Ötillö im Schweizer Engadin haben Judith und Meike beschlossen, dort zu starten und haben es nicht bereut.

Das Ganze war so spontan, dass wir als Team weder zusammen trainieren, noch unser Equipment wirklich testen konnten. Kleiner Tipp, so sollte man das nicht unbedingt machen. Durch den ein oder anderen Materialtest und die gemeinsame Trainingseinheit im Vorfeld, kann man sich auf jeden Fall Anfängerfehler und Überraschungen ersparen. Bei uns hat es glücklicher Weise auch ohne Generalprobe super funktioniert. Wir hatten einen riesen Spaß und sind jetzt definitiv vom Ötillö-Virus infiziert.

Was ist eigentlich ein Ötillö?

“Ö-Till-Ö” heißt auf Schwedisch von “Insel zu Insel”. Genau, diese relativ junge Sportart kommt aus Skandinavien und die dazugehörenden sportliche Betätigung ist Schwimmen und Laufen. Gestartet wird immer in Zweierteams. Geschwommen wird in offenen Gewässern und gerannt wird meist auf idyllischen Trails. Die Streckenlängen sind ganz unterschiedlich. Fest steht nur, dass abwechselnd geschwommen und gelaufen wrid.

Seit letztem Jahr gibt es auch in Deutschland ein Ötillö-Rennen und zwar in Rheinsberg am ersten Oktober. Derzeit sprießen noch weitere SwimRun-Events aus dem Boden. Mehr Informationen findet ihr unter SwimRunCup oder unter SwimRun-Challenge.

Welches Equipment braucht man für einen SwimRun?

Das Material, das man benötigt ist übersichtlich. Es bedarf einen Neoprenanzug, leichte Laufschuhe (Trailschuhe) mit gutem Profil, ein Pullbuoy, eventuell Paddels – das ist allerdings nur sinnvoll, wenn man das Schwimmen mit Paddels auch wirklich trainiert hat – eine Badekappe und eine Schwimmbrille.

Dieses Equipment braucht man für ein SwimRun-Event

Mittlerweile gibt es einige Firmen, die spezielle SwimRun-Neoprenanzüge anbieten. Diese haben den Vorteil, dass sie vorne und hinte zum Laufen geöffnet werden können und auch im Schritt elastischer sind, um ein leichteres Laufen ohne Überhitzen zu ermöglichen. Zudem haben die Anzüge auf der Innenseite Taschen, um Verpflegung und sonstiges Equipment zu verstauen. Viele Einsteiger schneiden aber auch einen ausgedienten Triathlon-Neoprenanzug zurecht – das ist zwar weniger komfortabel, geht aber für den Anfang auch.

Was ist das Besondere am Ötillö?

Um keine Zeit zu verlieren, behält man beim  Laufen den Neoprenanzug und beim Schwimmen die Laufschuhe an. Beim Schwimmen dürfen Paddels und Pullbuoy verwendet werden, die man allerdings beim Laufen auch mit sich tragen muss. Auch Seile kommen bei manchen Teams zum Einsatz, um den Partner beim Schwimmen oder Laufen zu ziehen – das ist erlaubt. Eine Grundregel lautet: was man am Start dabei hat, muss man auch mit ins Ziel bringen, daher sollte man gut überlegen, welches Equipment hilfreich ist und welche Dinge unter Umständen nur belasten. Auch das Thema Sicherheit wird groß geschrieben, da manche Strecken durch die freie Natur führen, muss jedes 2er-Team Trillerpfeifen, einen Kompass und Verbandsmaterial mit sich führen.

Ein Video zeigt, wie man sein Pullbuoy schwimm- und lauftauglich präparieren kann:

 

Unser Erfahrungsbericht zum Ötillö von Judith

Als Meike mich fragte, ob ich nicht Lust hätte, den Ötillö mit ihr zu machen, musste ich nicht lange überlegen. Zwar war ich etwas skeptisch, wie das ganze Rennen ablaufen sollte, aber die Vorfreude, einen neuen Sport kennenzulernen, war groß. Schnell organisierten wir uns einen speziellen SwimRun-Neoprenanzug von Head, aber so wirklich testen konnten wir unser neues Equipment nicht mehr. Den Neoprenanzug hatte ich vorab einmal im Schwimmtraining an, ansonsten ließ ich mich berraschen, wie es am Renntag werden sollte. Als ich am Rennmorgen im Startblock stand, kam ich mir doch irgendwie etwas seltsam vor. Neoprenanzug, Badekappe und Schwimmbrille auf dem Kopf ein Pullbuoy um das Bein gebunden und Trailschuhe an den Füßen. Nun ja, die anderen sahen zum Glück genauso aus.

Raus aus dem Wasser und weiter gehts im Laufschritt
Wir kommen vor dem Start mit dem ein oder anderen Team ins Gespräch. Die meisten sind etwas erstaunt, dass wir hier ohne spezielles Training und vor allem ohne das Equipment zu testen, am Start stehen. Wird schon schiefgehen, denke ich mir, auch dass Meike und ich nie zusammen trainiert haben, macht mir keine Sorgen. Wir werden das schon meistern, denn Spaß haben und etwas Neues ausprobieren, ist unser primäres Ziel. Als der Startschuss ertönt und wir loslaufen, schießt mein Puls sofort in die Höhe, viel höher als gewohnt. Stimmt, wir sind ja auf circa 1.800 Meter über dem Meeresspiegel – das ist für den Körper eine zusätzliche und ungewohnte Belastung. Die erste Laufpassage ist ziemlich hart für mich, doch bevor ich mich zu sehr quälen muss, geht es schon ins Wasser. Dass das Wasser kalt ist, habe ich bereits befürchtet, allerdings war das Wasser noch viel kälter, als erwartet. Die Kälte schnürt mir die Kehle zu und ich bekomme noch weniger Luft. Die ersten Meter kann ich nur im Wasserballkraulstil schwimmen, aber glücklicherweise gewöhne ich mich langsam an die Kälte. Wir kämpfen uns durch das Feld und können einige Teams einholen. Das Highlight der ersten Schwimmpassage war sicher, als wir an einer Flußmündung vorbeischwammen, die noch viel kälteres Wasser in den eh schon kalten See brachte. Ich komme mir vor wie im Eiswasser. Ich frage mich kurzzeitig, was ich hier mache, doch dieser Gedanke verfliegt sofort, als ich in die traumhafte Berglandlandschaft des Engadins blicke. Dass ich Schuhe anhabe, habe ich gar nicht wahrgenommen. Durch das Schwimmen mit Pullbuoy macht man weniger Beinschlag und der Pullbuoy sorgt zudem dafür, dass die Schuhe mich nicht zu sehr nach unten ziehen. Nach kurzer Zeit haben wir das erste Schwimmstück bewältigt. Nachdem ich eher mit dem kalten Wasser gekämpft habe, hat Meike eher mit ihrem Gleichgewichtsinn an Land zu tun. Sie plumpst etwas unkoordiniert zurück ins Wasser und muss sich ersteinmal sortieren, bevor sie loslaufen kann. Die Wechsel vom Schwimmen zum Laufen und retour haben es definitiv in sich. Mit ein bisschen Übung allerdings kein Problem, denn der Körper lernt schnell.

Mit Neoprenanzug und Pullbuoy im Laufschritt durch den Wald

Der erste Teil der Laufstrecke führt auf einem Schotterweg um den See. Durch das kalte Wasser fühlt sich alles etwas taub an und im Neoprenanzug wird es ersteinmal nicht so heiß, wie befürchtet. Ich entscheide mich trotzdem dafür, den vorderen und hinteren Reisverschluss auf zu machen, denn die Sonne brennt ordentlich vom Himmel. Der zweite Laufteil ist circa zwei Kilometer lang. Wir quatschen ein wenig und kommen auch mit dem einen oder anderen Team ins Gespräch. Die Atmosphäre ist super und nach anfänglichen Schwierigkeiten komme ich auch mit der Höhenluft besser klar. Es macht richtig Spaß. Beim nächsten Schwimmpart macht mir auch das kalte Wasser deutlich weniger aus, sodass wir gleich in einem guten Tempo losschwimmen können. Das Feld ist bereits entzerrt, sodass wir uns alleine den Weg durch den See suchen. Die Kulisse ist traumhaft und das Schwimmen macht richtig Laune. Nach dem zweiten Schwimmpart kommt der längste und anspruchsvollste Laufpart.

Daher ziehen wir uns den Neo bis zur Hüfte herunter, um besser laufen zu können und nicht zu überhitzen. Die Laufstrecke ist traumhaft und führt auf einem schmalen Trail entlang einem Wasserfall den Berg hinauf. Ich muss lachen, so komisch ist diese Situation: wir beide mit Neoprenanzügen, Badekappe, Schwimmbrille und Pullbuoy laufen durch den Wald. Aber es macht so unglaublich viel Spaß und vielleicht ist es gerade das Komische, das es so schön macht. Auch den dritten und längsten Laufpart haben wir schnell gemeistert und springen noch mal ins Wasser. Die Helfer und Zuschauer an der Strecke sind super, sie haben immer einen lockeren Spruch auf der Lippen, feuern uns an und ich komme aus dem Grinsen nicht mehr heraus. Wir bekommen zwischenzeitlich die Info, dass wir das dritte Damenteam sind, coole

Im Ziel beim Ötillö Engadin

Sache, auch wenn es uns darum überhaupt nicht geht. Nach dem dritten Schwimmpart drehen wir noch mal eine Runde durch die atemberaubende Landschaft bevor es zum letzten Mal ins Wasser geht. Die letzte Schwimmstrecke ist nicht mehr so lang und auch bald geschafft, beim Schwimmausstieg bin ich schon fast wehmütig. Nur noch ins Ziel laufen?! Ich könnte noch ewig so weitermachen: schwimmen, laufen, schwimmen, laufen …  Die letzten Meter ins Ziel geben wir noch mal etwas Gas und laufen mit einem breiten Grinsen nach insgesamt 16 Kilometern über die Ziellinie.

Was ein Spaß, wir werden wieder kommen

Fazit

Das war sicher nicht unser letztes Ötillö-Rennen. Lange habe ich nicht so viel Spaß bei einem Wettkampf gehabt. Der Ötillö ist einfach eine perfekte Kombination aus traumhaften Landschaften, fordernden Strecken und einer familiären und entspannten Atmosphäre unter den Teams. Ein entspannt und gut organisiertes Multisport-Event, das definitiv nicht überlaufen ist. Wir wollten etwas Neues ausprobieren, mal aus der klassischen Triathlonszene hinausschauen und haben einen unglaublich schönen Sport kennengelernt. Wir komme gerne wieder und vielleicht wird es dann auch eine längere Strecke.

 

Text: Judith Mess und Meike Maurer
Fotos: Dirk Mess