Der Ötztaler 2017 ist Geschichte

Der Ötztaler Radmarathon bedeutet in Zahlen 235 Kilometer, vier Pässe und 5.500 Höhenmeter. Katja war dabei und hat diesen Höllenritt mit Bravour bestanden. 

Ich habe einen Traum“ – so lautet der Slogan vom Ötztaler Radmarathon. Man sieht ihn während der Veranstaltung auf Bannern, Plakaten, in Programmheften und im Internet immer wieder.

Ich hatte auch diesen Traum. Er stand schon lange auf meiner Bucket List und dieses Jahr konnte ich ihn verwirklichen. Mitte Juni war es offiziell – Dank der Startplatzübernahme eines Freundes stand ich endlich auf der Startliste. Über die Verlosung hatte ich einmal mehr kein Glück.

Nachdem wir freitagmorgens angereist waren und eine letzte Ausfahrt mit den Rädern hoch zum Tiefenbachgletscher unternommen hatten, war ich bereit. Das Wetter versprach zu halten und die Energiespeicher wurden noch mal ordentlich aufgefüllt. Samstag erhielt ich noch ein kleines „Racebriefing“ von meinen Jungs – das ich tatsächlich während des Rennens umsetzen konnte.

Der frühe Vogel fängt den Wurm

Für mich als bekannte Schlafmütze war das Aufstehen um 4:30 Uhr natürlich viel zu früh. An Frühstück war natürlich um diese Uhrzeit nicht gerade zu denken, aber was sein muss, muss sein – nüchtern in dieses Rennen zu starten, wäre ein Unding. Im Dunkeln machten wir uns Richtung Startlinie auf. Bei 4.000 Startern heißt das leider frühzeitiges Erscheinen, wenn man einen guten Platz ergattern möchte. Und so standen wir mit vielen anderen zusammen um 5:30 Uhr im Startblock.

Verpflegung für den Ötztaler Radmarathon

Aufgeregt war ich –
und das hat jeder zu spüren bekommen

Spannung lag in der Luft. Ebenso der der Geruch nach Minzöl und dem typischen „Sportlerduft“ vor jedem Rennen.

Pünktlich um 6:45 Uhr fiel der Startschuss und dank unserer guten Position im vorderen Startfeld, blieb das Gerangel am Anfang aus. Die ersten 30 Kilometer bis Ötz und dem Anstieg zum Kühtai haben mir im Vorfeld die meisten Kopfzerbrechen gemacht – abgesehen von den Cut off-Zeiten. „Pass auf, da wird von Anfang an gebolzt!“ oder „Die drängen dich ab, ohne Rücksicht!“ , „Das Feld wird so eng, da hast du kaum Platz und dein eigenes Tempo kannst du da eh nicht fahren!“  … solche und ähnliche Äußerungen habe ich zu hören bekommen.
Am Ende war es gar nicht so schlimm. Ich fand mein Rhythmus, konnte mein Tempo fahren und war nicht in den zwei Stürzen kurz vor mir verwickelt. Plötzlich war der erste von vier Anstiegen da.

235 Kilometer –  4 Pässe – 5. 500 Höhenmeter –
4 Verpflegungsstationen – Zeitlimit

Während der Transalp im letzten Jahr bin ich den Kühtai bei Regen und Kälte hinaufgeradelt  und hatte ihn daher nicht in besonders gut Erinnerung behalten. Dieses Mal zeigte sich der Pass von seiner schönsten Seite. Der Anstieg beträgt 18,5 Kilometer mit maximal 18 Prozent Steigung und einer Verpflegungsstation oben am Pass, die ich allerdings ausließ. Meine Taschen waren voll mit Gels und Riegeln und meine Flaschen fast gefüllt. Mein Ziel war der Brenner. Ich erwischte in der Abfahrt eine sehr gute Gruppe auf dem Weg nach Innsbruck. Das Tempo war hoch und die Beine bisher sehr gut. Im Kopf hatte ich immer das Zeitlimit am Jaufenpass. Den musste ich um 14:40 Uhr, also nach 7:55 passiert haben.

Innsbruck erreicht man bei Kilometer 84 und ab da geht es kontinuierlich für die nächsten 39 Kilometer hinauf zum Brenner. Die Gruppe halten und nur nicht überpacen – diese Worte der Jungs klangen in meinen Ohren. Der Brenner ist heimtückisch, denn auch hier gibt es Steigungen bis zu 12 Prozent  – ist man zu langsam, quält man sich die 39 Kilometer allein hoch und das tut weh. Ist die Gruppe zu schnell, zerstört sie dich und man ist bei der Hälfte des Rennes schon am Ende. Ich höre in mich hinein, höre das Schnaufen der anderen, hab ein Lächeln im Gesicht und die Freude in mir – die Freude und das Privileg hier starten zu dürfen, überhaupt diesen wundervollen Sport ausüben zu können – und das verleiht mir Mut und Zuversicht. Die Beine spielen mit und plötzlich erreiche ich den Brenner bei Kilometer 122. Gezäumt von Zuschauern und Betreuern, die jeden Anfeuern, kommt die Verpflegungsstation immer näher. Schnell das Rad abgestellt, Flaschen gefüllt und zwei Käsebrote verzehrt und ab ging die Post Richtung Sterzing. Mit zwei anderen Radlern wage ich einen Höllenritt über einige Kilometer, immer die nächste Gruppe in Sicht. Wir kreiseln und kommen immer näher – puh, das hat erstmal paar Körner gekostet aber unheimlich viel Spaß gemacht und die Belohnung sind weitere zehn Kilometer in einem guten Tempo Richtung dritten Pass.

Der Jaufenpass – 2.090 Meter und über 15,5 Kilometer. Auch dieser Pass hat maximal Anstiege von 12 Prozent und ich hatte mittlerweile schon knapp 140 Kilometer in den Beinen. Die Sonne brennt, ich kurbel und kurbel mich den Berg hinauf und futtere fleißig meine Gels und Riegel. Und das Zeitlimit? Tja, was soll ich sagen – ich liege wunderbar in der Zeit und hab massig Puffer. Nach 160 Kilometer erreiche ich die Verpflegungsstelle kurz unterhalb des Gipfels und die Zeit bleibt bei 6:30 Stunden stehen. Mit Freude und Energie geht es weiter. Inzwischen liegen drei Pässe hinter und „nur“ noch 80 Kilometer und ein Pass vor mir.
Ähm – „nur“ noch?? Um genau zu sein, das Timmelsjoch und das ist mit  29 Kilometern und abermals einem  Anstieg von rund 14 Prozent. Auch bekannt als der Scharfrichter unter den Teilnehmern. Das Wetter ist auf den ersten 10 Kilometern noch traumhaft – fast ein bisschen zu heiß. Mit jedem Höhenmeter wird es kälter und dicke Wolken ziehen auf. Ich verpflege mich so gut es geht, nehme wieder die leckeren Käsebrote an der Verpflegung und fülle meinen Magen und die immer leerer werdenden Energiespeicher mit Gels. Der Anstieg ist zäh und meine Kraft schwindet langsam. Die Muskulatur in den Oberschenkeln schmerzt, fängt zeitweise an zu krampfen und die Passhöhe kommt einfach nicht näher. Während der 29 Kilometer hatte ich fast die ganze Zeit einen treuen Begleiter, was unglaublich motivierend war. Er mußte auch mal ein kleines Fluchen meinerseits ertragen.

Aus Sonne wird Regen

Endlich ist sie da,  die letzte Kehre – endlich hoch oben am Timmelsjoch. Jetzt geht es nur noch runter. Eine wunderschöne Abfahrt erwartet mich und Regen. Ja, strömender Regen und  binnen Sekunden bin ich völlig durchnässt und schlottere am ganzen Körper. Irgendwie muss ich diesen kleinen Anstieg zur Mautstelle völlig verdrängt haben, denn plötzlich ging es doch noch mal bergan, aber mein Körper will mittlerweile so gar nicht mehr. Ich bin völlig am Ende und in einem Tief. Aber der Blick auf die Uhr kann in so einem Moment doch alle Kräfte mobilisieren. Ich rechne und rechne – natürlich kämpfe ich auch mit den letzten Höhenmetern –  aber in meinem Kopf formiert sich eine Zeit weit unter 11 Stunden. Mein Kopf setzt aus, die Beine und Körper wieder ein und ich trete so schnell es noch geht. Die Mautstelle ist passiert und nun konnte ich wirklich die letzte Abfahrt nach Sölden in Angriff nehmen. Mittlerweile kann ich ein paar Tränen nicht mehr unterdrücken. Ich erreiche das Ziel nach 10:32:09 Stunden überglücklich, voller Stolz und Freude und am Ende meiner Kräfte. Ich bin fix und fertig.

Katja Kraft beim Ötztaler Radmarathon – happy im Ziel

Happy und dankbar im Ziel

10 Gels, 3 Riegel, 1 Snickers, etwa 7 Radflaschen , 1 Dose Cola und einige Käsebrote und Obst landeten in meinem Bauch – außer Käsebroten und Obst kann ich nichts mehr davon sehen.

Meine Mitstreiter – René, Tim und Marius – sind ebenso erfolgreich ins Ziel gekommen. Glückwunsch an jeden einzelnen!!

DANKE an euch für die Glückwünsche und Daumen drücken. Danke an tritime woman, Ruhepuls40, Lazer Helmets, Shimano Shoes, Wasser 3.0 und Jiakina für den Support – denn das Outfit muss stimmen :-).

Danke an René, der mich die Tage vorher im wahrsten Sinne des Wortes ertragen musste und mich mit warmen trockenen Kleidern empfangen hat. Danke an edie drei Männer für das schöne Wochenende, die Trainingseinheiten und die Tipps. Danke an meine beiden Mechaniker, ihr schafft es immer wieder, mein Rad im richtigen Moment startklar zu machen. Besonderer Dank geht an alle Freunde, Familie und Kollegen – ohne eure Unterstützung könnte ich mein wunderbares Hobby nicht ausüben.

Danke an das Orgateam und alle Helfer.

Ich wünsche euch eine schöne Zeit und schick euch ein sonniges Lächeln.

Eure Katja

 

Text: Katja Kraft
Foto: privat