Meine Gedanken im Vorfeld des Rennens sind selbst bis zur Abreise sehr gespalten. Ich stellte mir immer wieder die folgenden Fragen: Wird dieses Jahr die Ironman Weltmeisterschaft genauso ablaufen und besonders sein, wie in den beiden Jahren, in denen ich das Rennen bereits bestreiten und erleben durfte? Lebt der Mythos Hawaii? Wie wird es sein, in einem Rennen ohne Männer zu starten? Bekommen wir Frauen auch die Aufmerksamkeit, welche auch wir verdienen? Messen sich in diesem Jahr tatsächlich die besten Altersklassen-Triathletinnen der Welt, oder ist es ein ganz normales Rennen mit einem komplett leistungsgemischten Niveau? Fragen über Fragen …
Es war einmal …
2014 durfte ich als Trainerin das erste Mal die Ironman-WM erleben. Es war emotional, besonders, beeindruckend, aber auch respekteinflößend, wunderschön und unvergesslich. 2016 schaffte auch ich die Qualifikation und durfte beim Ironman Hawaii an den Start gehen. Es war etwas ganz Besonderes, das Rennen, die Stimmung, die Qualifikation für das Rennen, die Reise und es endlich geschafft zu haben an diesem magischen Ort starten zu dürfen. Mich erfüllte es mit Stolz erfüllt, dabei sein zu dürfen. Ich hatte etwas erreicht, was nicht jeder schafft und wovon viele ein Leben lang träumen und alles dafür geben würden, einmal auf auf der Insel der Triathlonträume starten zu dürfen.
Es begann immer damit, dass die Hürde der Qualifikation unglaublich hoch war. Man musste dem Training fast alles unterordnen und einen super Renntag erwischen, nichts durfte schief gehen. Als Frau reichte meistens nur der Sieg in der AK, mit viel Glück bekam auch die Zweite noch einen Slot. Somit waren nur die allerbesten Damen bei der WM dabei, in der Regel nicht mehr als rund 400-500 Frauen aus der ganzen Welt.
… und heute?
2023 ist allerdings alles anders. Am 14.10.2023 starten in der Bucht von Kailua-Kona 2.200 Frauen, fast vier- bis fünfmal so viele wie gewöhnlich. Hier stellt sich für mich die Frage: Brauchen wir ein reines Frauenrennen oder ist es auch schön für uns, mit den Männern gemeinsam zu starten und uns mit ihnen zu messen? Der Traum von meinem Mann und mir war es, einmal gemeinsam auf Hawaii zu starten, und dieser Traum wird wohl nie in Erfüllung gehen. Ich denke, so wird es vielen Triathlonpaaren gehen. Und deshalb bin ich für ein gemischtes Rennen, gleichzeitig aber auch sehr gespannt, ob ich dies nach dem Rennen immer noch sagen werde.
Möchte ich überhaupt starten?
Im November letzten Jahres qualifizierte ich mich – mit zwei weiteren YEAH!Sport-Athleten – beim Ironman Cozumel für die Ironman-WM. Wir haben uns gefreut und gefeiert, gemeinsam auf Hawaii an den Start gehen zu dürfen. Wir planten schon unsere Reise mit Hannes Hawaii Tours und waren voller Vorfreude. Unsere Freude wurde allerdings noch in Mexico getrübt und es hieß, dass die Männer nicht auf Hawaii starten werden. Das war nicht das, was wir uns gewünscht und vorgestellt hatten. In diesem Moment war die Freude über die Qualifikation komplett verflogen: wir waren sehr enttäuscht. Hätten wir alle dies schon am Wettkampftag gewusst, hätte keiner von uns den Slot angenommen!
Wir wollten gemeinsam an diesen mysthischen Ort und nicht getrennt in Nizza und Hawaii starten. Spricht man mit Nicht-Triathleten über Triathlon, kommt immer, „warst du schon mal auf Hawaii?“ Es würde nie die Frage aufkommen „Warst du schon mal bei der WM?“. Unser schöner Sport „identifiziert“ sich mit dem Ironman Hawaii und gibt ihm diesen ganz besonderen Spirit. Für mich stellte sich daher die Frage, möchte ich überhaupt noch auf Hawaii starten?
Meine Motivation war stark getrübt, ich überlegte sehr lange hin und her, ob ich die Reise überhaupt angehe und das Training in Angriff nehme. letztendlich machte ich es dann davon abhängig, ob sich zwei meiner Athletinnen auch qualifizieren und wir gemeinsam eine schöne Gruppenreise machen. Anfang Juni starteten dann Marit Bergmann und Monika Kuhn-Ellenrieder beim Ironman Hamburg mit dem Ziel, Hawaii Qualifikation. Marit schaffte den Gesamtsieg und Monika mit Platz 3 in ihrer AK die Qualifikationen geschafft. Somit begannen dann die Planungen für Hawaii und ich stieg Mitte Juli endlich ins Training ein.
Trainingsfrust
Die Vorbereitung war für mich, das erste mal überhaupt, sehr schwierig. Die Motivation mit dem großen Ziel Ironman Hawaii war fast verflogen. Ich arbeitete die von meinem Trainer und Ehemann Stavro Petri geplanten Einheiten alle ab und werde nun auch fit an der Startlinie stehen. Allerdings musste Stavro mich immer wieder motivieren.
Im letzten Belastungsblock bekam ich dann endlich die Kurve und freue mich jetzt auch auf das Rennen in Kona. Vor allem aber, da ich sehr viele Frauen kenne, die dort starten. Ich freue mich auf ein Wiedertreffen mit tollen Athletinnen, auf das Schwimmen im Pazifik, auf die Stimmung in Kona, auf eine weitere Sportreise mit meinem Mann und unserem YEAH!Sport Team, auf die Delfine, die morgens durch die Bucht schwimmen, auf das Rennen mit all seinen Launen, und natürlich auf die Finish-Line.
Stimmungsbild vor Ort
In Kona angekommen fühlt es sich erst einmal genau an, wie in den Vorjahren. Hannes und seine Hannes Hawaii Tour-Crew begrüßen uns mit der Lei und einem warmen Aloha. Herrlich. Die Tage laufen wie immer ab, morgens am Pier schwimmen, Frühstücken, kurze Trainingseinheit, Beine hochlegen, Acai-Bowls genießen, das Meer beobachten und alte Bekannte wiedertreffen.
- Die Stimmung ist gut und voller Vorfreude, aber auch anders als in den Vorjahren. Sehr ruhig, freundlich, kaum Show-laufen, nicht so sehr angespannt und bei weitem nicht so viel Triathlonprotz.
- Die Expo ist kleiner und überschaubarer, die Stadt ist nicht in eine Stadt voller Sportgeschäfte verwandelt, die Restaurants sind nicht überfüllt und die Delfine lassen sich leider bisher nicht blicken.
- Athletinnen, die schon ein oder mehrmals hier waren, hatten genau die gleichen Bedenken wie ich und nutzen diese Reise, um eine schöne Zeit mit ihren Lieben an diesem wundervollen Ort zu verbringen. Nicht mehr mit dem Ehrgeiz der uns mal gepackt hatten, sondern nur noch zum Genießen.
- Waren es vor ein paar Jahren ausschließlich austrainierte, schlanke und muskulöse Athletinnen, sind es heute nicht nur diese. Waren es damals nur Athleten mit dem besten und teuersten Material, siehst du jetzt auch zum Teil Athletinnen mit Rennrad und Auflieger.
- Waren damals im Meer fast ausschließlich sehr schnelle Schwimmerinnen, geht es dieses Jahr deutlich gemütlicher durchs Wasser.
- Athletinnen die das erste mal hier sind, sind beeindruckt von der Stimmung, genießen es hier zu sein … allerdings sehr häufig verbunden mit dem Tenor: Ich habe jetzt einmal die Chance bekommen, ich nehme es mit, aber danach nicht wieder. Sie wissen, dass sie es unter früheren Bedingungen nie geschafft hätten und freuen sich über diese Chance, den Ironman Hawaii erleben zu dürfen. Diese Freude sieht man ihnen an, und das ist auch wunderbar so.
Ironman Hawaii 2023: So hat Melanie das Rennen erlebt
Die Stimmung im Rennen unter den Athletinnen war wirklich super gut. Alle sind sehr fair miteinander umgegangen. Das kenne ich von Rennen mit Männern oft anders. Da ist die Anspannung meist recht hoch und schon beim Schwimmen zeigt sich, wie ehrgeizig manche unterwegs sind.
Was wirklich schön war, war das auf der Radstrecke und beim Laufen sich viele Damen untereinander anfeuerten und motivierten.
Die Stimmung am Streckenrand war auch okay. Die freiwilligen Helfer waren sehr freundlich. Auf dem Highway war wie immer so gut wie nichts los. Nur die Hannes Hawaii-Truppe sorgte dort für gute Laune. Der Zieleinlauf war am Ende auf jeden Fall wieder großartig. Auch wenn für mich dort definitiv weniger los war, als sonst.
Ich hatte am Renntag aber definitiv großen Spaß, auch wenn ich beim Laufen ein wenig mit Magen-Darm-Problemen zu kämpfen hatte. Das gehört eben auch mal dazu. Ich konnte dennoch gut finishen und war noch im Hellen im Ziel. Mein Fazit: Ich würde mit trotzdem gerne wieder ein gemischtes Rennen mit Männer und Frauen wünschen, weil dann tatsächlich auch nur sehr starke Frauen am Start sind. Das war dieses Mal ehrlicher Weise nicht so. Was mir auch aufgefallen ist, nur die erste Startgruppe ist fair Radgefahren. Weiter hinten gab es leider wie immer die übliche Windschattenproblematik. Viele Athletinnen sind in einer Reihe ohne genügend Abstand hintereinander gefahren. Das war Windschattenfahren im Pulk und es waren leider keine Kampfrichter da, die Zeitstrafen verteilt hätten. Hier zeigt sich, auch Frauen fahren nicht fair. Das ist definitiv nicht nur ein Männerthema.
Was mir sonst generell noch aufgefallen ist: Es gab weniger Werbesachen. Keine geschenkten „Kona 2023“ -Badekappen. Das war immer anders. Beim Männer-Rennen wäre sicher mehr geboten gewesen. Mein Gefühl: alle haben sich mühegegeben, aber es war dieses Jahr auf Big Island nicht so “hochwertig” wie es in Nizza war, da war einfach mehr Drumherum geboten.
Text: Melanie Petri
Fotos: Privat