Du machst bestimmt zu viel Sport!

Laufen soll Freude machen

Kennt ihr das – ihr habt große sportliche Ziele und dann kommt eine Seuche nach der anderen und bremst euch aus? Anita Horn weiß davon, ein Lied zu singen.

Anita Horn bereitet sich gerade auf ihren ersten Ironman vor. Theoretisch klingt da eine Aussage wie „Du machst bestimmt zuviel Sport“ logisch. Allerdings liegt meine Vorbereitung seit über drei Monaten brach.

Ich sehe gerne immer beide Seiten der Medaille – auch aus Nicht-Sportler-Sicht, aber in diesem Fall muss ich leider sagen: NEIN! Ich bin zwar eine Baustelle und permanent krank, aber am Triathlon liegt es definitiv nicht.
Angefangen hat der ganze Mist vor eineinhalb Jahren. Im November 2015 hatte ich einen Hörsturz mit bleibendem Tinnitus. Aber man gewöhnt sich ja irgendwie an alles. Ich bin überall kürzer getreten, bei der Arbeit, in der Freizeit, im Sport. Im Januar 2016 hab ich mir einen Nerv eingeklemmt (keine Ahnung wobei) und konnte mich vom Kopf abwärts nicht mehr selbstständig bewegen. Ende vom Lied: wieder lahmgelegt. Ein paar Termine beim Chiropraktiker und ein MRT später war klar, dass ein Bandscheibenvorfall im Hals vielleicht die Probleme verursacht hat. Physiotherapie, aber kein Triathlon-Training.

Wenn’s läuft, dann läufts

Das Trainingslager im April auf Lanzarote endete mit einer Bronchitis, der Wind war eben doch kälter als gefühlt. Die Woche Kite-Urlaub auf Sizilien danach war allerdings nicht gerade erholsam und brachte mir zu allem Überfluss auch noch einen Bänderriss im Fuß und eine Innenbandzerrung im Knie – nicht weil ich für einen Wettkampf trainiert hätte oder gar an einem teilgenommen hätte, nein … weil ich jemandem helfen wollte, seinen Kite zu landen und dabei in einem Stück Kunstrasen hängengeblieben und sehr unglücklich gestolpert bin.

Meine zwei geplanten Wettkämpfe habe ich also in Staffeln umgewandelt, damit ich wenigstens etwas machen konnte. Immerhin konnte ich Rad fahren. Ich bin letztes Jahr also auf eine Mitteldistanz-Staffel, eine Langdistanz-Staffel und eine komplette und sehr spontane olympische Distanz im September in Köln gekommen, als es mit dem Laufen wieder einigermaßen klappte.

Erneut Totalausfall

Kurz darauf, im November 2016, war ich in Argentinien und kam dank der Gletscherwanderung in Patagonien mit einer neuen Bronchitis heim. Zwei Packungen Antibiotikum gaben meinem Immunsystem den Rest, es folgte eine neue Erkältung und dann habe ich vielleicht drei Tage zu früh wieder angefangen – schließlich steht ja mein erster Ironman auf dem Plan und die Zeit rennt mir eh schon davon wie ein Weltklasse-Sprinter. Das Ergebnis? Totalausfall. Pause.

Irgendwann war wieder Land in Sicht, Freigabe meiner Ärzte. Endlich durfte ich wieder trainieren. Nur leider hat sich das mein Körper nochmal anders gedacht. Ich bekam Schwindelanfälle, war bei zig Ärzten. Nichts gefunden. Vermutlich war es ein orthopädisches Problem. Immerhin ist es behoben. Man, was man alles haben kann. Ätzend.

Und was nun?

Nun ist Anfang März. Anfang Juli ist mein erster Ironman. Nicht viel Zeit, aber noch machbar, wenn ich jetzt gesund bleibe und konsequent trainiere. Aber wie macht man das? Gesund bleiben – wenn alle um einen herum ebenso Wochen lang keuchen, rumkrebsen und Karneval feiern? Ich habe das Gefühl ganz Köln ist eine Seuche – zumindest für Sportler. Für Faulpelze ist es vielleicht ein Segen, sich mit ärztlichem Attest auf die Couch hauen zu können. Für mich ist es der Horror.
Wenn ich meine Geschichte der letzten Monate schildere, dann höre ich oft sowas wie „Du machst bestimmt zuviel Sport“. Ich habe nun glaube ich belegt, dass es daran nicht liegen kann. Das Argument „Du hast zuviel Stress“ lasse ich auch nicht zählen. Die meisten arbeitenden Menschen haben Stress. Viele haben dazu eine Familie, Kinder, die bespaßt werden wollen – und machen trotzdem Triathlon. „Dein Körper will dir irgendwas sagen.“ Gut, aber was denn verdammt nochmal???

Also gut, Ruhe bewahren. Ich will nach vorne schauen. Ich muss bestimmt wirklich etwas Stress abbauen. Blöd nur, dass ich das am besten mit Sport kann. Vielleicht sollte ich doch etwas mehr auf meinen Körper hören? Sekunde … Okay, mein Magen knurrt. Gut, Ingwertee und ein Brötchen. Heute Abend gehe ich nämlich mit Freunden essen. Anti-Stress-Programm.

Dr. google als Ratgeber?

Vorher google ich aber noch ein paar Sachen. Mir wurde geraten zum Heilpraktiker zu gehen. Da Schulmediziner nichts weiter finden, Blut, Lunge, Herz und Co okay sind und ich trotzdem nicht so richtig auf den Damm komme, ist das vielleicht eine gute Idee. Und ich sollte mein Immunsystem und meinen Darm aufbauen. Gibt ja genug dafür in der Apotheke. Vielleicht sollte ich auch mal zur Hypnose? Wer weiß welche Altlasten da so zum Vorschein kommen, die mich unbewusst stressen? Und ich könnte mich noch auf ein paar Sachen testen lassen. Pfeiffersches Drüsenfieber? Parasiten? Das sind so Ideen, die das Internet ausgespuckt hat. Ach wisst ihr was, ich kann´s auch einfach lassen, das mit dem Googeln und dem Medizinmarathon. Ich geh lieber einfach laufen, an die frische Luft. Mit zwei Freundinnen. Das ist Balsam für die Seele. Und eine Wohltat für die Beine. Und ich werde jeden Schritt genießen. Denn wenn man lange nicht laufen durfte, dann weiß man es umso mehr zu schätzen.

Gelassenheit ist Trumpf

Im Trainingsplan hänge ich absolut nach, aber mental bin ich schon einen Schritt weiter. Ich weiß jetzt: je größer das Ziel vor Augen ist, desto sensibler und hellhöriger ist man – und desto mehr Energie muss man auch in seine Gelassenheit investieren. Wie sagt man doch in Köln: „Et kütt wie et kütt“. Und manchmal läuft es eben nicht nach Plan. Also volle Kraft voraus und auf ins Vergnügen. Was auch immer das 2017 heißen mag. Und erinnert mich zwischendurch gerne mal an das, was wirklich stimmt: „Du machst dir zu viele Gedanken“. Das lasse ich durchgehen.

 

Anita Horn ist tritime women-Botschafterin. Sie ist als freiberufliche Journalistin für die ARD – vor allem für den WDR Hörfunk und DRadioWissen – Bloggerin von ahornzeit.de und Buchautorin unterwegs. Als ASICS Frontrunner organisiert sie nebenbei Laufevents. In ihrer Freizeit macht Anita vor allem Triathlon, geht aber auch bei anderen Wettbewerbe wie dem Epic Israel-Etappenrennen mit dem Mountainbike an den Start.

Fotos: Christian Siedler