Langdistanztraining ist kein Kindergeburtstag

tritime women Botschafterin Luisa Keller beim Radtraining

Lulu schreibt über die Vorbereitung auf ihre zweite Triathlon-Langdistanz und die damit verbunden „Herausforderungen“, die sie als Athletin in dieser Zeit beschäftigen.

„Wenn es einfach wäre würde es nicht Triathlon,
sondern Fußball heißen“ 🙂

Drei kleine Anekdoten aus meinem Trainingsalltag, die vielleicht jeder von euch schon erlebt hat. Dinge, die den gemeinen Triathleten in der Vorbereitungsphase auf „den EINEN Wettkampf“ unfassbar auf die Palme bringen können.

1. Technische Probleme & fehlendes eigenes Schrauber-Know-how

Endlich ist das neue Triathlonrad da, ich habe die Ehre, dieses Jahr ein Cervelo P5 fahren zu dürfen! Ich hüpfe wie ein kleines Kind, das gerade fünf Kugeln Eis mit Schokosoße und Streuseln bekommen hat, auf und ab. Ohne genauer in den Karton zu schauen, schnappe ich das federleichte, große Paket und fahre auf direktem Weg drei Stunden zum Bikefitter meines Vertrauens, zu Cyclefit nach Bensheim. Dort erwarten mich Britta und Lloyd, die bereits meine drei Vorgängerräder auf mich eingestellt haben.
Das Rad wird auf dem Fittinggerät positioniert, ich schaue zu und erschaudere langsam dabei. Sieht hammermäßig aus das Gerät, aber irgendwie winzig. Als Britta und Lloyd im Gespräch immer wieder den Kopf schütteln während sie das Rad vermessen und mit den Daten meines alten Bikes vergleichen, sinken meine Laune und die Mundwinkel in den Keller. Ich habe versehentlich ein 51er Rahmen geschickt bekommen, brauche jedoch einen 54er. F*****

Pech gehabt, Missgeschicke passieren! In Windeseile wird mir der passende Rahmen geschickt. Wieder fahre ich die weite Strecke zu Cyclefit. Fünf Stunden haben die beiden Profis an meiner Sitzposition und den richtigen Schuheinlagen gefeilt, bis alles perfekt passt. Da die Extensions in der Länge verändert wurden, mussten die innenliegenden Schaltzüge ebenfalls erneuert werden. Viel Aufwand, zum Glück habe ich die beiden Experten!

Hightech-Material will gepflegt sein

Die erste Ausfahrt mit dem TT-Raumschiff war großartig. Wie fliegen. Nach der Ausfahrt wische ich ein bißchen Schmutz vom Rad  – der gute Wille bei dem neuen Gefährt eben, dabei stelle ich einen Riss im Vorbau fest. Ich schlag mir mit der Hand gegen den Kopf und fluche gedanklich: Wieder muss ich in die Werkstatt, um das Teil auszutauschen und die Schaltzüge neu verlegen zu lassen. Die Erkenntnis: irgendetwas ist immer und das war sicher nicht der letzte Defekt!

Fazit: Things go wrong, shit happens, life goes on! oder
Drüber lachen, weitermachen!

Tipp: Tief durchatmen, locker bleiben und  einen guten Schrauber parat haben oder sich am besten selber schlaumachen, damit man kleinere Defekte schnell beheben kann!

2. Krankheit oder Verletzung

Die Wettkampfsaison ist gestartet. Ich mache den ersten kleinen Trainingswettkampf, danach habe ich Halsweh. „Nicht überbewerten“, denke ich mir, ganz locker weitertrainieren. Dann kommt der Husten und ich liege flach. Den nächsten Wettkampf muss ich vernünftiger Weise absagen, weil ich immer noch angeschlagen bin. Ich werde nervös, weil es so lange dauert und der Husten einfach nicht verschwindet. Ich muss wieder trainieren, der Ironman ist schon bald. Die Zeit läuft mir davon, ein Gedankenkarusell. Nach drei(!) Wochen, einer gefühlten Ewigkeit, ist der Husten verschwunden und ich beginne wieder, mich zu bewegen. Es fühlt sich noch nicht wieder wie Sport an, eher wie die Wiedereingliederung in den eigenen Körper… noch sechs Tage bis zum nächsten Wettkampf, der Mitteldistanz in Ingolstadt. Der Coach sagt in den wenigen verbleibenden Tagen lockeres Training an und schickt mit ungetapert in das Rennen. „Du wirst nicht ganz frisch sein, aber das wird besser als du denkst,” so eine Worte.

Ich stehe am See in Ingolstadt. Es herrscht strahlender Sonnenschein. Einer der wichtigsten Menschen hat mich als Support begleitet, das gibt mir ein gutes Gefühl. Die Stimmung ist entspannt. Ich gehe es wie besprochen an, schwimme, fahre 90 Prozent Rad und laufe entspannt an, um es am Ende trotz Hitze und den mäßigen Wochen zuvor, ohne Einbruch als erste Frau ins Ziel zu schaffen. YES-SIEG!!! Ich bin überrascht über meinen ersten Platz und dass es so gut lief und weiß jetzt mit Gewissheit: Ich kann mich auf die Einschätzung vom Trainer verlassen.

Fazit: Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt!

Tipp: Wenn es um die Gesundheit geht, keine Kompromisse machen! Krankheiten und Verletzungen sollte man definitiv immer komplett auskurieren bevor man wieder trainiert. Selbst, wenn es mehrere Wochen dauert und es schwer fällt, die Füße stillzuhalten. Der Körper vergisst nichts und kommt schnell wieder auf Touren. Andernfalls verschleppst du nur etwas, bekommst größere gesundheitliche Probleme und kannst noch länger keinen Sport machen.

3. Motivationslöcher und mentale Schieflagen

Drei Wochen verbringe ich im Trainingslager mit Freunden auf Mallorca. Das Wetter könnte nicht besser sein, die Trainingsbedingungen sind spitze, das Essen lecker,  jeden Tag habe ich überragende Menschen um mich, mit denen die harten, langen Einheiten kurzweilig und spaßig sind.

Zurück Zuhause: Das Wetter ist schlecht, ich bin müde vom vielen Training, der Arbeitsalltag hat mich wieder und danach kommt erst der Sport, alles muss ich wieder allein trainieren. Aus heiterem Himmel kommt die Frage in mir auf: Warum mache ich das alles? Will ich das wirklich? Das Feuer für das Saisonziel scheint erloschen zu sein. Zu jeder Einheit muss ich mich quälen. Alles, was der Coach in den Plan schreibt, fühlt sich sehr schwergängig und anstrengend an. Er lässt mich viel zu viel, zu ambitioniert trainieren. Dieser harte Hund! Das rede ich mir zumindest ein …

Freunden und anderen Athleten gegenüber möchte man die „Schwäche“ nicht zeigen. Die Zweifel an der eigenen Leistung und der Entscheidung, überhaupt noch mal eine Langdistanz machen zu wollen, werden größer. Ich heule einem sehr guten Freund, der auch Triathlet ist, die Ohren voll: „Ich habe zu wenig Zeit zum Trainieren, ich bin eh viel zu schlecht, mir fehlt die mentale Stärke…”. Erkennt ihr euch vielleicht wieder?! 🙂

Leidenschaft Triathlon

Mein Kumpel nimmt kein Blatt vor den Mund und tritt mir verbal ordentlich in den Hintern. Er versucht mir, meine Bedenken im Gespräch zu nehmen und öffnet mir die Augen. Es hat mir sehr geholfen die Zweifel laut auszusprechen, denn mir wird dadurch klar, wie lächerlich meine „Probleme“ sind. Ich liebe diesen Sport, das harte Training bringt mich immer wieder an meine Grenzen und darüber hinaus, ich muss meinen Lebensunterhalt nicht damit verdienen, sondern mache es aus freien Stücken, ganz ohne Zwänge und Druck – außer dem, den ich mir selber mache! Falls ich mal einen schlechten Tag im Training oder im Wettkampf erwische, dann ist das eben so, aber das ist noch lange kein Weltuntergang. Und bis dahin genieße ich, dass ich gesund bin und jeden Tag diese Leidenschaft Triathlon leben kann!

In Absprache mit meinem Trainer senkte ich kurzfristig die Umfänge plus Intensitäten und zusammen mit dem guten Wetter und dem gewaschenen Kopf durch den Kumpel sowie den Coach, der mich so heftig motivieren kann, wie kein anderer, ist die Einstellung und die Energie wieder im Lot und ich BRENNE auf den Start beim Ironman Klagenfurt!

tritime women Botschafterin Luisa Keller beim Lauftraining
DANKE ….

An dieser Stelle darf nicht unerwähnt bleiben, dass die stillen Supporter, Familie und Freunde enorm viel dazu beitragen, dass ich im Triathlontunnel nicht total vereinsame und diese Leute mich nie vergessen lassen, was das aller Wichtigste ist im Leben ist – IHR und die gemeinsame Zeit, die wir haben! Danke fürs Unterstützen beim Trainingslauf als Bottlebitches. Danke fürs Begleiten mit dem Rad. Danke fürs „schon mal kochen, wir warten mit dem Essen auf dich“. Danke Jule – mit dir kann ich ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, ein zweites Magnum Mandel verdrücken. Danke an die Wettkampfsupporter, ihr seid die Besten. Danke dafür, dass ich in eurer Gegenwart den Triathlon auch einmal komplett ausblenden kann. Danke, dass ihr mich als Langdistanztriathlonspinnerin trotzdem lieb habt  …

Fazit: Wer heute nur an morgen denkt, hat morgen keine Erinnerung an gestern!

Tipp: Klar ist es wichtig, wenn man ein sportliches Ziel hat, es immer wieder zu schaffen, sich darauf zu fokussieren. Der Sport allein macht mich jedoch nicht glücklich.
„Man muss die Feste feiern, wie sie fallen!“ Der Triathlon ist mehr als ein Hobby, eher eine Leidenschaft. Darüber stehen für mich stets die Menschen, die mir wichtig sind. Das heißt, wenn es sich ergibt, einfach mal auf die Gass´gehen und feiern bis es wieder hell wird… (Coach nicht weiter lesen!!!!)… auch wenn das mitten in der Wettkampfsaison vorkommt, meine Freunde richten ihre Hochzeiten und Partys nämlich nicht nach meinem Trainingsplan 😉 …

 Do it. Love it. Join us. Und alle Fünfe auch mal gerade sein lassen.

Text: Lulu
Foto: privat