Road… ähm… Roth-Trip

Anita Horn berichtet über ihren emotionalen Staffeleinsatz bei der Challenge Roth und ihre Pläne, 2018 ihre erste komplette Langdistanz beim Ironman Frankfurt in Angriff zu nehmen.

Ich liebe Wettkämpfe vor der Tür oder zumindest im näheren Umkreis, dann kann ich ohne viel Aufwand hin- und wieder zurückfahren. Von Köln nach Roth zu kommen, ist schon ein echter Road-Trip. Fast 500 Kilometer mit dem Auto sind es – um dort dann 180 Kilometer Rennrad zu fahren. Bescheuert? Bestimmt! Aber es lohnt sich.

Roth-Relay im Gedenken an Julia Viellehner

Ich habe schon letztes Jahr mit einer Staffel bei der wohl schönsten Langdistanz Deutschlands teilgenommen. Für dieses Jahr stand eigentlich meine erste komplette Langdistanz auf dem Plan, aber die habe ich auf 2018 verschoben. Und weil mein Herz geblutet hätte, wenn ich in Köln gesessen und all die schönen Bilder aus Frankfurt und aus Roth gesehen hätte, habe ich mich entschieden, noch mal mit einer Staffel an den Start zu gehen. Sandra und Silke aus meinem Asics FrontRunner-Team haben sofort zugesagt und so haben wir uns aus NRW auf den Weg nach Bayern gemacht.

Im Kofferraum war neben meinem Quintana Roo PR3 noch ein altes Stadtrad, weiß angemalt und geschmückt mit grünen Zweigen und einer weißen Rose. Wir wollten den Zieleinlauf einer Teamkollegin und Freundin widmen. Julia Viellehner ist vor kurzem wegen eines Rennradunfalls mit einem Lastwagen verstorben und die Veranstalter der Challenge Roth waren so nett, uns einen Zieleinlauf mit diesem Rad – gesponsert vom ADFC Köln – zu genehmigen. Nicht selbstverständlich für eine solch große Veranstaltung – und zwar dem größten Triathlon der Welt.

Die Stimmung bei der Challenge Roth wie immer fantastisch

Triathlon-Fest in Roth

Am Vortag des Wettkampfs haben wir die Startunterlagen abgeholt, das Rad eingecheckt und sind in Renn-Stimmung gekommen. Und am Sonntagmorgen klingelte der Wecker gefühlt zwar viel zu früh, aber der Anblick auf die Massen an Zuschauern schon um 6.30 Uhr beim Schwimmstart entschädigt für jede verpasste Minute Schlaf. Wahnsinn – die ganze Region ist  an diesem Tag auf den Beinen. 7.000 Helfer versorgen die Athleten auf den Strecken mit Essen und Trinken, stecken vorher die Strecken ab, bauen die Wechselzonen auf und stehen im Ziel, um Medaillen zu verteilen. Wir sind also nicht nur für unsere einzelnen Staffel-Strecken nach Roth gefahren, sondern für ein einmaliges Gesamterlebnis. Dafür ist kein Weg zu weit. Das sehen übrigens nicht nur viele Deutsche so, sondern auch Spanier, Franzosen, Thailänder und Neuseeländer. Die Gäste der Challenge Roth kommen aus der ganzen Welt und feiern von Anfang bis Ende ein unvergessliches Triathlon-Fest. Mit rund 3.500 Einzelstartern und gut 2.000 Staffelteilnehmern aus etwa 60 Ländern und über 250.000 Zuschauern wundert es mich nicht, dass die Challenge Roth sechs Mal hintereinander Deutschlands „Rennen des Jahres“ wurde und 2017 sicher wieder wird.

Zahlreiche Zuschauer begleiten die Athleten am Main-Donau-Kanla bei der ersten Disziplin, dem Schwimmen

Um 8.55 Uhr hieß es für unsere Staffel-Schwimmerin Sandra dann ab die Post. Die Aufregung stieg kurz vorher ins Unermessliche. Ich konnte meinen eigenen Start kaum abwarten. Nach 01:13:10 saß ich dann endlich im Sattel. Diesmal hielt dank Kabelbindern auch die Aerotrinkflasche – gut, dass man aus seinen Fehlern lernt. Vertraue keinem Klettband! 🙂
Ich habe diesmal nicht so hart angetreten wie letztes Jahr und bin so oft wie möglich bei den kleinsten Anstiegen aus dem Sattel gegangen, um zu vermeiden, dass meine Füße wieder einschlafen und ich kaum noch treten kann. Und Tatsache, diese Taktik plus ein Korrigieren der Klicks unter den Schuhen haben geholfen. Optimal ist meine Sitzposition glaube ich noch nicht, aber nun habe ich ja ein Jahr Zeit, das zu optimieren.

tritime women Botschafterin Anita Horn bei der Challenge in Roth 2017

Emotionale Momente

Die erste Runde lief super. Es war windiger als erwartet, aber zum Glück „nur“ von vorne. Mit meinen Hochprofilfelgen hätte ich mit Seitenwind mehr zu kämpfen gehabt. Das erste Mal kamen die Tränen am Solarer Berg – was für eine Party! Die Zuschauer haben mich angeschrieben, mit Cheeringsticks auf den Hintern gehauen und mit Cheerleader-Pömmeln im Gesicht rumgewedelt. Ich habe mich gefühlt wie ein Star. Die zweite Runde war schon etwas härter. Die Sonne kam raus, die Temperaturen stiegen. Aber es lief besser als erwartet und ich konnte nach 05:37:20 Stunden als elfte Staffel-Frau den Sattel verlassen und meinen Mika-Timechip an unsere Läuferin Silke übergeben. Wir haben uns noch gedrückt und im Eiltempo ausgetauscht – dann war Silke auch schon auf dem Weg Richtung Ziel. Durch die geänderte Streckenführung durften die Läufer fünf Mal an einem zentralen Punkt vorbei, sodass der Lauf sehr zuschauerfreundlich war. Wir wussten ziemlich genau, wann Silke ankommen würde und haben sie am Eingang des Zielkanals erwartet.

Gemeinsam sind wir nach 10:21:43 Stunden als 9. Frauenstaffel – mit dem weißen Fahrrad – durch das Challenge-Stadion gelaufen, haben den Applaus aufgesaugt und unseren Gefühlen hinter der Ziellinie freien Lauf gelassen. Wir haben geweint – vor Freude, Emotionen, Erleichterung, aber auch, weil wir in Gedanken bei Julia und ihrem Freund waren – der ebenfalls im Stadion stand, morgens selbst als Staffelschwimmer an den Start gegangen war und uns nun von irgendwo aus der Menge zusah.

Zieleinlauf der Staffel im Stadion in Roth

Was bleibt, ist die Erinnerung

Mittlerweile sind wir alle wieder zuhause. Was bleibt sind die müden Beine, eine wahnsinnig schöne Medaille, die Erinnerungen und dieses faszinierende Gefühl. Von der Strecke. Und vom Ziel: Gänsehaut, Tränen, Applaus, Jubel, Feuerwerk. Die Finisherparty im Dunkeln zum Abschluss der Veranstaltung war unbeschreiblich. Jeder einzelne Ankömmling wurde gefeiert. Auch jeder, der die Cut Off-Zeit überschritten hat. Das ist die Challenge Roth. We are triathlon.

Für nächstes Jahr schaue ich mir die Konkurrenz an. Ich bin für meine erste komplette Langdistanz beim Ironman Frankfurt angemeldet. Am 8. Juli 2018 geht es für mich – dann hoffentlich auch wirklich, ohne Erkältungen oder sonstige Hindernisse – an den Start. Vorher stehen aber noch diverse Generalproben an – beim U-See-Schwimmen in Düsseldorf mit 3,3 Kilometern im August, beim Berlin Marathon im September, beim Köln-Triathlon (vielleicht diesmal als Schwimmerin bei der Langdistanz-Staffel?!), beim Köln Marathon und Frankfurt Marathon (beides als Staffelläuferin), diversen Winterlaufserien und Trail-Läufen und mindestens einer Mitteldistanz im kommenden Jahr. Die Challenge Roth ist 2018 übrigens am 1. Juli, eine Woche vor dem Ironman Frankfurt. Vielleicht fahre ich ja wieder hin und mache einen neuen Road-Roth-Trip. Einfach mal als Zuschauerin.

Finisthline-Party bei der Challenge Roth

 

Text: Anita Horn
Fotos:  Manfred Puppe/privat