Triathlon ist ein Privileg

Ein Gespräch von Sportlerin zu Sportlerin: Beim Chiemsee Triathlon traf sich Judith Mess mit Ricarda Lisk, die gerade als Profiathletin ihre Abschiedstour gibt.


In diesem Sommer hatten wir schon sehr hohe Temperaturen von weit über 30 Grad. Wie gehst du mit diesen Bedigungen um? Beeinflussen Sie dich und dein Training?

Ich habe das Glück, dass ich mit Hitze sehr gut umgehen kann und sie mir nichts ausmacht. Ich trainiere gerne bei 36 Grad und auch Wettkämpfe machen mir bei heißem Wetter nichts aus. Trotzdem gilt es einiges zu beachten. Es ist wichtig, sich zum einen gut zu kühlen und zum anderen viel zu trinken. Es darf allerdings nicht nur Wasser sein, denn durch das Schwitzen verliert man viele Mineralstoffe. Ein isotonisches Getränk oder Salztabletten kann ich im Sommer nur jedem empfehlen. Beim Wettkampf trage ich meist ein Stirnband oder eine Mütze, die ich mit kaltem (Eis)Wasser tränke. So kann ich mich gut kühlen. Eiswasser nutze ich nur für diesen Zweck, trinken sollte man es beim Wettkampf nicht, dadurch können leicht Magenbeschwerden entstehen. Wenn es besonders heiß ist, motiviere ich mich beim Laufen immer von Verpflegungsstation zu Verpflegungsstation und denke nicht über die gesamte Distanz nach, die ich zurücklegen muss.

In deiner langen Karriere gab es Zeiten, in denen es auch mal nicht so gut lief. Wie hast du dich in solchen Situationen motiviert beziehungsweise, wie motivierst du dich grundsätzlich täglich zum Training?

Wie motiviert sich jemand, der morgens keine Lust hat, ins Büro zu gehen? Er geht, weil er muss. Es ist sein Job und er muss Geld verdienen. So ist es auch bei mir. Wenn ich nicht trainiere, bringe ich keine Leistung und verdiene kein Geld. Klar, könnte ich auch einen normalen Bürojob haben, doch das wäre für mich sicherlich stressiger als eine Radeinheit im Regen. Ich sehe es als Privileg, diesen Sport meinen Beruf zu nennen. Wenn es in meiner Karriere mal gar nicht lief, habe ich mich durch die Erinnerungen an die guten Zeiten motiviert. Wenn es runter geht, geht es auch wieder hoch. Alleine zu wissen, dass bald ein Wettkampf ansteht, dass ich eine Qualifikation erreichen oder gar Rennen gewinnen kann, motiviert mich täglich.

Hast du das Gefühl, dass du durch den Profisport auf etwas verzichten musstest?

Klar, ich hatte keine typische Studienzeit wie andere mit Parties und Feten etc. Dafür habe ich schon früh mein eigenes Geld verdient, bin durch die ganze Welt gereist, habe den Sport auf höchstem Niveau betrieben und unter anderem drei verschiedene Sprachen gelernt.

Neben deiner eigenen Profi-Sportkarriere arbeitest du bereits parallel als Trainerin. Wie sieht deine Arbeit aus und welche Tipps hast du für Einsteigerinnen?

Ich betreue zum einen Altersklassenathleten mit individuellen Trainingsplänen und biete auch verschiedene Camps, unter anderem in Zusammenarbeit mit dem BWTV oder Hannes Hawaii Tours an. Ich habe beispielsweise eine Gruppe von Frauen auf den Waiblinger Triathlon vorbereitet. Einsteigern würde ich immer raten, sich einem Verein oder einer Trainingsgruppe anzuschließen, um sich mit Gleichgesinnten zusammenzutun. Insbesondre Frauen tun sich in der Gruppe leichter, man kann sich beim Training gut unterhalten und austauschen. Wenn man einige Erfahrungen gemacht hat, und vielleicht gewisse Ängste nicht los wird oder einfach mehr erreichen möchte, ist die Zusammenarbeit mit einem persönlichen Trainier sinnvoll. Dieser kann individuell auf die Athletin eingehen, Ängste beseitigen und die Potenziale optimal ausschöpfen. Ein wichtiger Tipp, den ich auch geben kann, ist, dass man den Sport aus eigener Überzeugung machen soll und eben nicht dem Freund oder jemand anderem zu liebe.

Diese Saison soll deine letzte sein. Als Abschlussrennen hast du dir den Inferno Triathlon in der Schweiz ausgesucht. Was reizt dich an diesem Rennen und gibt es andere sportliche Ziele oder Rennen, die du gerne nach deiner aktiven Laufbahn angehen möchtest?

Mich reizt es, einen Wettkampf über eine solch lange Dauer zu machen. Eine klassische Langdistanz hat mich nie interessiert, da ich einfach das lange Radfahren nicht so sehr mag. Zudem bin ich sehr gut in den Bergen und könnte stundenlang bergauf fahren. Daher passt der Inferno gut. Mich interessiert auch, wie mein Körper eine so lange Belastung aushält, auch hinsichtlich der Ernährung und der Einteilung der Kräfte. Rennen, die mich sonst noch reizen bzw. sportliche Ziele, die ich habe, wären beispielsweise eine Transalp-Tour zu fahren, egal ob als Wettkampf oder nur für mich selbst. Auch ein Traillauf wäre für mich eine schöne Herausforderung. Einfach Rennen, in denen man sich in der schönen Natur bewegt. Wettkämpfe, bei denen es weniger um Materialschlachten oder Zeiten geht und man sich vielmehr mit sich selbst auseinander setzt. Solche Events werde ich sicher in den nächsten Jahren in Angriff nehmen.

Welche weiteren Rennen hast du im diesen Jahr noch geplant?

Nach dem Chiemsee Triathlon werde ich noch eine Olympische Distanz in Zürich sowie in Frankfurt machen und dann steht auch schon der Inferno Triathlon und damit mein letztes Rennen als Profitriathletin an.

Danke Ricarda für deine Zeit. Für deine weiteren Ziele wünsche ich dir viel Erfolg.

tritime women Botschafterin Judith Mess beim Chiemsee Triathlon – ein Interview mit Ricarda Lisk

Interview: Judith Mess
Fotos: Dirk Mess