Vom Wetter nicht beirren lassen

Judith Mess beim Schwimmausstieg am Chiemsee

Judith Mess hat beim Chiemsee Triathlon nicht nur Interviews mit den Profidamen Daniela Sämmler und Ricarda Lisk geführt, sie war auch selbst am Start.
Hier ihr Rennbericht.

Vergangenes Wochenende ging ich beim Chiemsee Triathlon über die Mitteldistanz an den Start. Das Rennen sollte mein erster Triathlon in dieser Saison werden. Aus verschiedenen Gründen habe ich mich für das Rennen am Chiemsee entschieden. Neben der kurzen Anfahrt zum Rennen und dem Termin waren es sicherlich auch der gute Ruf und die fordernden Strecken, die mich dazu bewogen, den Triathlon am bayerischen Meer, zu testen.

Bereits am Samstag stand das abholen der Startunterlagen und das Einchecken des Rades an, dazu hatte ich die Gelegenheit mich mit den beiden Topfavoriten des Rennens – Daniela Sämmler und Ricarda Lisk – zu einem kurzen Interview zu treffen, eine willkommene Abwechslung im Vorwettkampfstress.

Judith vor ihrem Start beim Chiemsee Triathlon

Raceday

Am Sonntag fand ich mich früh in der Wechselzone ein, um mein Rad rennfertig zu machen. Nach dem es die ganze Woche sehr heiß war, war das Wetter am Rennmorgen deutlich kühler und leicht bewölkt. Der Wetterbericht sagte Regen voraus. Ich versuchte, mir dazu keine Gedanken zu machen. Das Wetter muss man bekanntlich nehmen, wie es kommt. So war es dann auch: Beim Einschwimmen zeigte sich der See noch von seiner ruhigen Seite, doch kaum standen wir an der Startlinie, frischte der Wind immer mehr auf und es fing an, leicht zu nieseln. Ich versuchte, das auszublenden und fokussiert zu bleiben. Der Startschuss ertönte und ich schwamm los. Ich habe es mir angewöhnt, mich aus den größten Gruppen rauszuhalten und einfach mein Ding zu machen. Lieber schwimme ich ein paar Meter mehr, aber dafür ohne große Schlägereien. Bereits wenige Meter nach dem Start merkte ich, dass die Orientierung heute sehr schwer sein würde, die Wellen wurden immer größer und die Bojen waren kaum zu sehen. Immer wieder musste ich ein paar Brustzüge machen, um mich zu orientieren. In der Regel atme ich im Freiwasser alle paar Züge nach vorne, um den Überblick zu behalten, doch das war aufgrund der Wellen nicht möglich. Teilweise hatte ich das Gefühl, durch die Wellen wieder zurückgeworfen zu werden doch ich versuchte, cool zu bleiben. Etwa 20 Meter links von  mir sah ich eine Athletin, die sich auf das Rettungsboot rettete, da war mir klar, dass die Bedingungen wirklich nicht zu unterschätzen waren. Immer wieder sagte ich mir “cool bleiben”, Panik oder gar ein Verschlucken wäre mein Ende. Ich merkte, dass es eben doch anders ist, ob man im Freibad seine Bahnen zieht oder im Freiwasser schwimmt. Ich versuchte weiter, die Umstände auszublenden beziehungsweise mich nicht darüber zu ärgern oder stressen zu lassen und nahm mir einfach jede Boje als Zwischenziel. Die erste Wendeboje schien ewig weit weg, doch irgendwann war auch sie erreicht. Von hier aus ging es “parallel” zum Strand bist zur nächsten Wendeboje, und von dort endlich in Richtung Schwimmausstieg. Jetzt musste ich wenigstens nicht mehr gegen die Wellen kämpfen und war heilfroh, als ich endlich wieder festen Boden unter meinen Füßen hatte.

Dauerregen – na und?

„Moment, warum ist hier denn alles nass?“ – schoss es mir durch den Kopf. Was ich beim Schwimmen überhaupt nicht gemerkt hatte, war, dass es nun richtig mit regnen begonnen hatte. Ich nahm es zur Kenntnis und ließ mich nicht weiter beirren. Ich wechselte aufs Rad und fuhr los. Der Chiemsee Triathlon war auch der erste härtetest für mein Triathlonrad – ein “Shiv” von Specialized: der erste Wettkampfeinsatz und dazu noch bei strömendem Regen.

Judith Mess auf ihrer Triathlonzeitfahrmaschine von Specialized

Auf dem Rad fühlte ich mich zunächst total schlaff, die Beine kraftlos. Die Männer flogen an mir vorbei, doch meine Beine wollten nicht so recht. Ich versuchte, mit kleinen Druck zu machen,  weiß ich doch, dass es bei mir immer ein paar Kilometer dauert bis ich auf dem Rad „angekommen“ bin. Ich nutzte diese Kilometer, um gut zu trinken und mir wieder Energie zuzuführen. Das Schwimmen hatte mental, aber auch körperlich Kraft gekostet. Wichtig ist bei einem langen Rennen, dass man nicht hektisch wird oder gar zu früh (im Kopf) aufgibt. Der Körper kann sich gut immer wieder aus schweren Situationen herauskämpfen, man darf nur im Kopf nicht aufgeben. Nach den ersten zehn Kilometern war ich endlich “auf dem Rad angekommen” und es gelang mir, etwas Tempo zu machen. Durch das schlechte Wetter ließ sich leider nur erahnen, wie schön die Radstrecke war. Ich ging absolut kein Risiko auf der nassen Straße ein. Die Strecke war gut abgesichert. Richtungspfeile zeigten rechtzeitig an, wohin es geht. Bei so nassen Bedingungen war dies auch wirklich nötig. Die Radstrecke war vom Profil genau mein Ding – leichte schöne Wellen, keine steilen Abfahrten und Kurven und idyllische schmale Sträßchen durch den Chiemgau. Die Strecke führte durch zahlreiche kleine Dörfer, in denen gerade eine handvoll Häuser standen. Der Regen wurde mal stärker mal schwächer. Es regnete durch. Umso bemerkenswerter, dass in jedem dieser Dörfer immer ein paar Zuschauer standen, die die Athleten anfeuerten. Ganz ehrlich, an so einem verregneten Sonntag würde ich am liebsten nicht aus dem Bett kriechen.

Die Zuschauer motivierten mich und ich fand ein gutes Tempo, mit dem ich über die Strecke fuhr. Ich achtete auf eine ausreichende Zufuhr an Energie und Wasser. Insbesondere bei so einem Wetter vergisst man das leicht. Ich habe mir daher meine Uhr so eingestellt, dass Sie alle 5 Kilometer piepst. So erinnere ich mich, in regelmäßigen Abständen, einen großen Schluck aus meiner Gelflasche zu nehmen – dazwischen trinke ich immer wieder Wasser. So lässt sich auch die lange Zeit auf dem Rad abwechslungsreicher gestalten.
Ich konnte mein Tempo auf dem Rad gut durchfahren und hatte keinen Einbruch oder das Gefühl, es wäre zu schnell. Am Ende stand auf der Strecke das Wasser teilweise ganz schön hoch auf der Straße, sodass ich heilfroh war, als ich endlich das Rad in der Wechselzone abstellen durfte.

Fokussiert bleiben

Insbesondere bei solchen Bedingungen war mein Plan, mich immer nur auf die jeweilige Disziplin zu konzentrieren. Mein Ziel war es sowohl im Wasser als auch auf dem Rad einfach nur unversehrt und ohne große Zwischenfälle die jeweilige Disziplin zu meistern. An das Radfahren oder Laufen beim Schwimmen schon zu denken, hätte dazu geführt, dass ich den Fokus verloren hätte. Eine Unkonzentriertheit im welligen Wasser oder auf den nassen Straßen hätte sicher kein gutes Ende gefunden.

tritime women Botschafterin Judith Mess auf der Laufstrecke des Chiemsee Triathlon

Den abschliessenden Lauf ging ich entspannt an. Aus verschiedenen Gründen habe ich die letzten Wochen wenig Lauftraining absolviert und mir war klar, dass der abschließende Lauf hart werden würde. Auch die Laufstrecke ist wie die Radstrecke beim Chiemsee Triathlon sehr abwechslungsreich, es gibt eine leichte Steigung und der Weg führt teilweise über Wiesen- und Waldwege sowie über Asphaltstrecken. Die Laustrecke war fünf Kilometer lang und musste vier Mal absolviert werden. Pro Runde gab es jeweils zwei Verpflegungsstationen, was die Runden kurzweilig gestaltete. Wie bereits erwartet war das Laufen hart und insbesondere die letzten zwei Runden ziemlich zäh, sodass ich sehr froh war, als ich nach ziemlich genau 5:10 Stunden das Ziel erreichte.

Trotz der nicht ganz leichten Bedingungen war ich sehr zufrieden mit dem Rennen. In der Summe bin ich mit meinen eigenen Leistungen zufrieden. Die einzelnen Splits entsprechen ziemlich genau dem, was ich mir vor dem Rennen vorgenommen hatte. Sie zeigen mir zum einen, dass ich auf einem guten Weg in Richtung Ironman Hamburg bin und zum anderen, dass ich mich sehr gut einschätzen kann. Mit diesem Rückenwind gehe ich in die finalen Vorbereitungswochen für den Ironman.

Der Chiemsee Triathlon, ein schönes Erlebnis

Auch für die Veranstaltung kann ich nur ein positives Feedback geben: die Strecken sind abwechslungsreich und fordernd, die Organisatoren und Helfer freundlich und motiviert. Wer ein schönes Rennen sucht, dass trotz gut besetztem Profifeld keine Massenveranstaltung ist, ist hier gut aufgehoben. Ein familiärer und dennoch professioneller Wettkampf, der für Starter auf unterschiedlichen Strecken einiges zu bieten hat.

Natürlich gibt es immer den ein oder anderen Verbesserungsvorschlag bei so einer Großveranstaltung. Was ich mir insbesondere als „Chiemseeneuling“ im Vorfeld des Rennens  gewünscht hätte, wäre ein Gesamtüberblick gewesen. In der Ausschreibung und der Startinformation gab es verschiedene Übersichten, aber leider keinen Gesamtüberblick, auf dem die zentralen Locations – Start, Ziel, den Ort der Starunterlagenausgabe, Parkplätze – eingezeichnet waren. Man konnte nur erahnen, wie weit die jeweiligen Stellen entfernt zueinander waren. Ich habe mich dennoch gut zurecht gefunden, würde dies aber dem Organisationsteam gerne als Anregung mitgeben.

Nichtsdestotrotz kann ich den Chiemsee Triathlon besten Gewissens als Rennenempfehlung weitergeben und insbesondere die Rad- und Laufstrecken würde ich gerne mal bei trockeneren Straßenverhältnissen bestreiten.

Text: Judith Mess
Foto: Dirk Mess