Trübsal blasen bringt nichts

Laura Philipp beim Radfahren auf Fuerteventura

Nachdem Laura Philipp die Saison 2015 aufgrund eines Radsturzes bereits im Juli  beenden musste, erzählt die 28-Jährige, wie sie die Zwangspause genutzt hat und was 2016 ansteht.

Laura, wenn du heute auf die vergangene Saison 2015 blickst,
wie fällt dann dein Fazit aus?
Wenn ich rein meine sportliche Leistung beurteile, war es bisher meine beste Saison, auch wenn es zugleich meine kürzeste war. Ich konnte mich besonders im Radfahren und Laufen deutlich verbessern und daher bereits in St. Pölten ein gutes Rennen zeigen. Diese Leistung konnte ich in Heilbronn nochmals steigern und so mein erstes großes Mitteldistanz-Rennen gewinnen.
Neben diesem guten Gefühl, dass ich und mein Trainier Philipp Seipp, die perfekte Dosierung gefunden haben, um mich fit zu bekommen, ist natürlich rückblickend auch die Traurigkeit über meine „verlorene“ zweite Saisonhälfte präsent. Dass ein einziger Sturz den Körper derart durcheinander bringen und schwächen kann, konnte ich mir bis dato nicht wirklich vorstellen.
Es ist immer einfacher eine Verletzung zu akzeptieren, wenn tatsächlich etwas gebrochen oder gerissen ist und man direkt sieht, dass eine Pause unabdingbar ist.

Was kannst du im Nachhinein Positives aus deiner verletzungsbedingten vorzeitigen Zwangspause mitten in der Saison gewinnen?
Als mich der Sturz wenige Zeit nach Heilbronn aus meinem Training riss, habe ich anfangs den Schweregrad der Verletzung nicht realisiert. Ich habe mich mit meinem Rad überschlagen und einen harten Schlag auf meinen Knochen bekommen. Infolge dessen hat dieser Wasser eingelagert und ein Ödem entwickelt. Der Knochen schwoll an und bereitete sehr starke Schmerzen. Zu allem Pech wurde ich auch noch falsch behandelt, was alles noch schlechter werden ließ. Da Laufen unmöglich war, musste ich mich von meiner zweiten Saisonhälfte und meinen geplanten Saisonhöhepunkten verabschieden. Anfangs überwog die Trauer, dann war ich glücklich, das tägliche Hoffen und die vielen Schmerzen durch einen konsequenten Trainingsstopp zu unterbrechen, um meinen Körper die Chance zu geben, wieder gesund zu werden. Ich habe glücklicherweise schnell begriffen, dass es mir wenig bringt, Trübsal zu blasen und schnell versucht, das bestmögliche aus meiner Zwangspause zu machen.

Wie und für was hast du die sportliche Zwangspause genutzt?
Als Profisportler hat man im allgemeinen wenig Zeit für Familie und Freunde und auch für andere Tätigkeiten, die einem vielleicht wichtig sind und dazu beitragen, dass Körper und Geist ausgeglichen sind. Daher habe ich die Zeit sehr sinnvoll genutzt und wichtigen Menschen in meinem Umfeld, die mir sonst unglaublich viel Kraft und Unterstützung geben, etwas zurückgegeben. Zudem habe ich mich damit beschäftigt, was ich, auch wenn es keine trainingsbedingte Verletzung war, besser machen kann, um Verletzungen künftig zu vermeiden. Ein Schritt in diese Richtung, ist die Zusammenarbeit mit Trainings and Diagnostics in Zürich. Reto Brändli und Lorenz Leuthold haben mir und meinem Trainer wertvolle Tipps gegeben und werden mich auch in Zukunft betreuen. Einer dieser neuen Impulse ist beispielsweise das Thema Muskelmasse. Für ein 90-180 km langes Zeitfahren, braucht es viel Kraft. Da ich eher schmal gebaut bin, waren gerade flache „Drückerstrecken“ ein Problem für mich, was am Ende mitunter an zu wenig Muskelmasse an den Beinen liegt. Hier konnte ich bereits enorme Fortschritte verzeichnen, die sich jetzt direkt in den Leistungstests in Watt widerspiegeln. Ein anderer interessanter Baustein ist das Thema Ernährung: was kann ich noch besser machen, wie kann ich meinem Körper das bestmögliche zuführen, wie kann ich ihn während einer Verletzung unterstützen. Sich mit solchen Themen zu beschäftigen, braucht Zeit, Zeit die ich plötzlich zur Verfügung hatte. Und so suchte ich den Austausch mit Caroline Rauscher und konnte bereits enorm davon profitieren. Meine Erholung und auch die Stabilität meines Immunsystems haben sich deutlich verbessert und ich stecke intensive Trainingsbelastungen viel besser weg.

Zu guter Letzt konnte ich meine Zwangspause aber auch dafür nutzen, mir viele Gedanken über meine neue Saison zu machen, mir teilweise neue Partner an meine Seite zu holen und meinen vorhandenen Sponsoren etwas zurückgeben.

Wie hast du es geschafft, in deiner Zwangspause geduldig und dennoch motiviert zu bleiben und nicht den Kopf in den Sand zu stecken?
Das schwierigste für mich war die Zeit nach dem Sturz im Juli bis zu der Entscheidung, kein Rennen mehr zu machen. Sie war geprägt von Schmerzen, Hoffnung und Alternativtraining. Aus ärztlicher Sicht wurde mir eine Teilnahme in Zell am See als realistisch versprochen, aber ich hätte schon viel früher auf mein eigenes Gefühl hören sollen und keine weiteren Belastungsversuche mehr starten sollen. Mit der Entscheidung, eine konsequente Pause zu machen, ging es nicht nur meinem Kopf, sondern auch meinem Körper sehr schnell besser. Insgesamt habe ich circa zwölf Wochen auf das Laufen verzichtet. Das ist eine wirklich lange Zeit für jemanden, der Laufen sehr liebt.
Durch die Beschäftigung mit athletischen Schwachstellen, dem Aufbau von Muskelmasse und durch die gute Betreuung und Beratung durch mein Team, ist die Zeit glücklicherweise sehr schnell vergangen. Die Motivation wieder einzusteigen und fit zu werden, war eigentlich nie weg und ist jetzt stärker denn je.

Jetzt bist du zum Glück wieder zu 100% gesund und kannst wieder normal Sport machen. Trainierst du jetzt anders als vor der Verletzung?
Seit Oktober bin ich wieder am Trainieren. Schwimmen und Radfahren war eigentlich nie ein Problem. Beim Laufen haben wir einen sorgsamen Formaufbau gemacht, bei dem ich stark in mich hineinhöre und die Umfänge noch sehr niedrig halte. Da Laufen meine Stärke war und hoffentlich auch wieder wird, konnte ich die Zeit nutzen, um viel in die anderen zwei Disziplinen und in die Anfangs erwähnten Punkte wie z.B. den Muskelaufbau investieren. So verbringe ich nun mehr Zeit im Fitnessstudio und verlege die ein oder andere intensive Laufeinheit auch mal aufs Laufband. Grundsätzlich sehe ich mich mehr und mehr in Philipps und meiner „Philosophie“ bestätigt, dass es Sinn macht, viel Zeit mit Technik, Koordination und Schnelligkeitstraining zu verbringen, als unendlich Umfänge zu bolzen, die einen auf Dauer nur ermüden und die Verletzungsanfälligkeit steigen lassen.

Du hast das neue Jahr im spanischen Palamós begonnen, danach ging es mit deinem Team Erdinger Alkoholfrei nach Fuerte – wie läuft das Training im Moment, wie geht es weiter und was sieht deine Rennplanung für die Saison vor?
Die Trainingszeit in Palamós zusammen mit Svenja Bazlen und unseren beiden Freunden waren zwei schöne Wochen geprägt durch viel Grundlagentraining, gutem Essen und jeder Menge Spaß. Ich konnte wertvolle Einheiten sammeln und spürte mit jedem Tag, wie ich wieder stärker werde. Lange Läufe kann ich wieder wie ein Uhrwerk abspulen und auch am Berg gelingt es mir wieder, den Jungs auf dem Rad ab und ab weh zu tun. ;-). Nach einer Woche in Deutschland, die primär durch Erholung und Leistungstests in Zürich geprägt war, durfte ich mit meinen Erdinger Alkoholfrei Teamkollegen/innen nach Fuerteventura fliegen. Ich bin froh, dass ich dem Schnee in Deutschland entfliehen konnte und noch einmal Radkilometer sammeln konnte. Der Austausch mit den Teamkollegen war wie immer besonders schön, die meisten Trainingseinheiten konnten wir gemeinsam absolvieren, sodass die Zeit wie im Flug verging.

Da ich durch meine Zwangspause eine relativ lange wettkampf- und trainingsfreie Zeit hatte, möchte ich dieses Jahr gerne etwas früher ins Renngeschehen einsteigen. Ich starte daher am 2. April beim Ironman 70.3 in Oceanside und eine Woche später beim Ironman 70.3 in Texas. Dies wird mein erster USA-Trip und ich bin gespannt auf den Vergleich mit den US Girls. Danach stehen die großen europäischen Rennen wie Mallorca, St. Pölten, Heilbronn, Wiesbaden an und als Highlight, die Ironman 70.3 WM in Australien.

Foto: Jan Ruff und Flo Angert
Interview: Meike Maurer

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