Mareile Hertel – eine echte Eisenfrau

Mareile ist 33 Jahr alt und voll berufstätig. Die Triathletin und Ultraläuferin mit Vorliebe für extreme Wettkämpfe möchte beim Ironman Lanzarote am Samstag, ihr Ticket für Hawaii lösen.

 

Mareile, du hast deine Ausdauersportkarriere mit Ultraläufen begonnen, wie und warum bist du zum Triathlon gewechselt ?
Es stimmt, dass ich sehr jung mit den Ultraläufen begonnen habe. Allerdings bin ich schon damals sehr viel mit dem Rad unterwegs gewesen. Mich im Triathlon auszuprobieren ist eine interessante Ergänzung gewesen. Seither habe ich beides regelmäßig und gerne betrieben.
In diesem Jahr konzentriere ich mich allerdings auf den Triathlon, denn ich bereite mich auf die Ironman Weltmeisterschaft auf Hawaii vor und möchte keine Kompromisse machen. Die nächsten Ultraläufe, wie zum Beispiel der „Fire & Ice – Ultrarace (250 km)“ auf Island müssen bis 2017 warten.

Als du mit Triathlon als Läuferin angefangen hast, war sicherlich das Schwimmen die größte Herausforderung. Wie hast du das Kraulen gelernt und was kannst du Einsteigerinnen raten, die sich vor offenen Gewässern fürchten?
In der Tat musste ich als Triathletin nochmals „richtig schwimmen“ lernen, denn da ist es mit Willenskraft alleine nicht getan. Ich bin aber eher unkonventionell an das Projekt “Schwimmen” rangegangen und hab mir einige sehr gute Bücher besorgt, um zu verstehen, was wirklich wichtig ist. Sobald „der Kopf“ verstanden hatte, worum es geht, habe ich mir Spezialisten gesucht, die mir gezeigt haben, wie es in der Praxis geht. So sorgt beispielsweise das Training mit Christof Wandratsch (Weltrekordler über die Ironman Schwimm-Langdistanz) oder Jochen Aumüller (einer der besten deutschen Eis- und Openwater – Schwimmer) für den nötigen Feinschliff. Den Triathletinnen, die noch keine Erfahrungen mit „offenen Gewässern“ haben, kann ich drei Tipps geben, die mir am Anfang sehr geholfen haben.
1.  „Habe Respekt, aber keine Angst!“ Die Angst verliert man am ehesten, wenn man im „sicheren Becken“ Strecken über der geforderte Distanz trainiert. Wenn auf der Kurzstrecke 1,5 Kilometer gefordert sind, dann schwimm regelmäßig 2,5 Kilometer, so lernst du deiner Ausdauer und deiner Leistung zu vertrauen.
2. “Trainiere niemals ohne Wing(wo)man“ – wenn es zum Training raus in offene Gewässer geht, dann nicht alleine. In der Gruppe ist die Sicherheit größer, auch wenn der Körper dir einen Streich spielen sollte. Außerdem hilft ein Neo nicht nur physisch, sondern er gibt auch psychischen Auftrieb.
3. Wenn du mit mehreren Athleten im offenen Gewässer trainierst, dann übernehme ruhig auch mal die Führung, damit du dich daran gewöhnst, daß vor und neben dir niemand „sichtbar“ ist. Diese Illusion stärkt das Selbstvertrauen, obwohl deine Leute direkt hinter dir sind.
Abschließend noch eines: Hab Spaß! Schwimmen soll Freude machen und keine Angst einjagen. Wer sich daran erinnert, wie viel Spaß er als kleines Kind im See oder am Meer hatte, der betrachtet selbst den Atlantik irgendwann nicht mehr als Gegner.

Was war dein härtestes Rennen, das du je bestritten hast – physisch und psychisch?
Da ich vom Ultralauf komme, bereitet die klassische Triathlon-Langdistanz mir keine physischen Probleme, denn ich habe gelernt, meine Kräfte und Ressourcen recht gut einzuteilen. Und zum Glück bin ich bis dato noch nicht durch Unfälle oder technische Schäden in die Situation gekommen, dass ich psychisch während einem Rennen mit mir oder meinem Schicksal gehadert hätte. Bei den Ultraläufen gab es jedoch ein Rennen, das mich an meine körperlichen und mentalen Belastungsgrenzen gebracht hat. Der 1. „Via Natura 100 Meilen Ultra Trail“ in Österreich hat mich 2014 extrem gefordert. Damals sind nur acht Starter überhaupt ins Ziel gekommen. Ich war die einzige Frau im Ziel und habe es – trotz der widrigen Umstände – noch auf den zweiten Gesamtplatz geschafft. Aber während der 30 Stunden Renndauer, mit Hagel und Gewitter und teilweise ohne Orientierung, bin ich wirklich durch die Hölle gegangen.

Wie trainierst du und wie sieht dein normaler Alltag aus?
Ich habe das große Glück, ein sehr gutes Körpergefühl zu haben, das mir als Kompass für die Trainingseinheiten dient. Durch meine Ausbildung als Sport- und Fitnesskauffrau habe ich selbst genügend Know-how, sodass ich bis dato meine Trainingspläne selber schreibe. Von den Umfängen liege ich bei etwas über 20 Stunden Training pro Woche. Außerdem integriere ich körperliche Aktivitäten und Ausdauereinheiten so gut es geht in meinen Alltag: ich fahre etwa mit dem Rad in die Arbeit. Ich glaube der Hauptunterschied zu den „Berufs-Triathleten“ besteht weniger in der Art des Trainings, sondern mehr in den Einschränkungen, die zum Beispiel eine Vollzeit-Beschäftigung mit sich bringt. Während eine „Pro“ vom Triathlon leben können muss, habe ich allerdings den Vorteil, dass ich derzeit für den Triathlon leben kann. Der Sport spielt wirklich eine sehr zentrale Rolle in meinem Alltag.

Du suchst gerne sportliche Extreme, kannst du dir erklären warum?
Das ist richtig. Ich sehe mich selbst als Extremsportlerin. Allerdings gibt es für mich zwei Kategorien. Auf der einen Seite die „Adrenalinjunkies“. Die Sportler, die zu einem gewissen Zeitpunkt – teilweise lebensgefährliche – Grenzwert-Erfahrungen machen wollen. Zum anderen gibt es die Ultrasportler, die ihre Leistungen eher in Zeiträumen definieren. Also die Herausforderung in der Ausdauer- und Langzeitbelastung suchen. Dazu gehöre ich. Ich liebe es mit geringster technischer Unterstützung Distanzen unabhängig vom Gelände zurückzulegen. Dabei kommst du dir selber unglaublich nah.

Was zeichnet dich als Sportlerin und im Berufsleben aus?
Was mich generell auszeichnet: ich gelte als konsequent und unkonventionell. Meine Wettkampfhärte ist daher sicherlich eine Folgeerscheinung. Allerdings verfüge ich als gebürtige Bayerin über eine gesunde Portion Gelassenheit und Selbstvertrauen. Wenn es um Disziplin oder Spieltrieb geht, ist es der Spieltrieb, der mich antreibt und die Disziplin, die dafür sorgt, dass ich nicht aufhöre, bevor ich am oder im Ziel bin.

Ein großes Ziel von dir ist auch das Race Across America. Was fasziniert dich an diesem mehrtägigen Radrennen durch die USA?
Zwölf Tage am Stück mindestens 20 Stunden auf dem Rad quer durch Amerika, 4.800 Kilometer mit rund 52.000 Höhenmetern – das fasziniert mich. Ich will einfach wissen, wie sich das anfühlt.
Viele Jungs träumen ja davon auf der „Route 66“ mit dem Motorrad quer durch die USA zu cruisen, ich will das mit dem Bike schaffen. Um mich auf dieses Vorhaben bestmöglich vorzubereiten und mich auch zu qualifizieren, geht es aber zunächst beim „Race around Austria (RAA)“ auf 2.200 Kilometern einmal um Österreich herum. Übrigens, anders als bei vielen anderen Mehrtages-Radrennen, ist sowohl das RAAM, als auch das RAA, offen für Frauen.

Du startest in ein paar Tagen beim Ironman Lanzarote. Warum hast du dich genau für dieses Rennen entschieden?
Für mich ist der Ironman Lanzarote eine der schönsten Langdistanzen im Rennkalender. Ich liebe das extrem anspruchsvolle Streckenprofil. Die Vulkane und das Meer sind eine herrliche Kulisse für einen Triathlon. Außerdem trainiere ich regelmäßig dort und kenne die Tücken, wie Hitze und Wind recht gut.

Du willst dir dort das einzige Ticket in deiner Altersklasse für Hawaii abholen. Was macht dich so sicher, dass du die Quali schaffst ?
Als ich mich vor zwei Jahren bereits in Zürich für die WM auf Hawaii qualifizierte, war ich noch nicht so weit, um in Kona wirklich „ein Pfund“ abzuliefern. In diesem Jahr stehe ich voll im Training, bin mit meinen bisherigen Jahresleistungen zufrieden und weiß, wozu ich unter normalen Umständen in der Lage bin. Natürlich weiß ich es nicht mit Sicherheit, ob es letztlich reichen wird, aber ich werde alles geben.

Danke, Mareile für das Interview und viel Erfolg für den Ironman Lanzarote 2016.

Fotos: Sabine La fotógrafa pelirroja – www.sabine.biz