Simuliertes Höhentraining:
Danielas Experiment

Was ist Höhentraining? Wie funktioniert es und was bringt es? Triathletin Daniela Dihsmaier macht den Test und berichtet

Ich lernte Jutta Stephan bei einem meiner Vorträge im November 2017 kennen, sie ist die Inhaberin des Instituts für Höhentraining in München. Als wir uns begegneten war mein rechter Mittelfuß gerade gebrochen. Jutta lud mich ein, den Trainingswiedereinstieg mit Höhentraining zu begleiten.

Juttas Einladung überraschte mich sehr, bis dahin hatte ich geglaubt, Höhentraining würde nur Sinn machen, wenn man bereits in Form ist. Doch sie erzählte mir von den positiven Effekten auf Atmung, Muskulatur und den Energiestoffwechsel … und Trainingsrückstände sollen schneller ausgeglichen werden (Quelle: http://www.meikekrebs.de/downloads/wissenschaft/meike_krebs_hoehentraining.pdf).

Was hatte ich zu verlieren? Also begann ich mit dem Experiment im März 2018. Radfahren und Schwimmen hatte ich nach meiner Verletzung bereits wieder begonnen – nach vier Monaten Auszeit. Und das Laufen sollte ab April wieder losgehen.

Definition Höhentraining

„Unter Höhentraining versteht man den gezielten Einsatz einer Unterversorgung des Organismus mit Sauerstoff (Hypoxie) als Stimulus zur Steigerung der Leistungsfähigkeit.“ (Quelle: https://www.bergfreunde.de/basislager/hoehentraining-tipps-tricks/)

Selbst bei ausbelasteter Atmung gelangt in höheren Lagen weniger Sauerstoff ins Blut, die arterielle Sauerstoffsättigung sinkt ab (Quelle: http://www.hoehenbalance.de). Auf die Mangelsituation reagiert der Körper unter anderem mit gesteigerter Atmung, erhöhter Herzfrequenz und auch Anpassungen beim Stoffwechsel. Das soll zu Leistungssteigerungen führen:

eine bessere Sauerstoffversorgung der Muskulatur
– Verbesserung des Fettstoffwechsels sowie eine Erhöhung des energetischen Umsatzes
– zusätzlicher Trainingsreiz der Atemmuskulatur
– eine kürzere Regenerationszeit nach Belastungen

Doch über die tatsächliche Wirkung von Höhentraining streitet sich die Wissenschaft. Vieles ist sehr stark vom individuellen Athlet abhängig.

Der Wissenschaftler Robert F. Chapman forscht zum Höhentraining: „Es gibt Athleten, die auf ein Höhentraining mit einer starken Zunahme der Neubildung roter Blutkörperchen und der Verbesserung der maximalen Sauerstoffaufnahme reagierten, und es gibt Athleten, die keine derartigen Reaktionen zeigten. Dabei wiesen die ‚Responder‘ zu Beginn des Höhenaufenthaltes auch einen deutlicheren Epo-Anstieg auf und konnten im Gegensatz zu den ‚Non-Respondern‘ ihre anschließende Laufleistung über alle Wettkampfdistanz verbessern.” (Quelle: Constantini, Keren, Daniel P. Wilhite, and Robert F. Chapman A Clinician Guide to Altitude Training for Optimal Endurance Exercise Performance at Sea Level, High Alt Med Biol. 18:93-101, 2017.)

Soviel zur Theorie. Doch was genau passiert eigentlich mit Höhenluft bei mir im Training?

Passives Höhentraining

Messung der Sauerstoffsättigung im Blut

Mein erster Besuch bei Jutta brachte eine große Überraschung: vor dem aktiven Teil auf dem Ergometer, gab es einen passive Vorbereitung. In Juttas Institut gibt es einen Vorraum, in dem zwei bequeme Sessel und ein Sofa sowie zwei Generatoren stehen. Mit der Sauerstoffmaske im Gesicht atmete ich zunächst im Sitzen fünf Minuten Höhenluft ein. Dann durfte ich fünf Minuten die Maske weglegen und noch mal zwei weitere Durchgänge absolvieren. Im Sitzen, ohne Bewegung, ist für den Körper mehr Höhe möglich.
Anfangs ist es schon ungewohnt, sich mit einer Hand die Sauerstoffmaske ins Gesicht zu drücken. Die andere Hand prüft mit einem Fingerclip – das Gerät heißt Pulsoxymeter – ob Puls und Sauerstoffsättigungswerte passen. Das Messgerät gibt an, wie viel Prozent des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin mit Sauerstoff beladen sind. Im Normalfall beträgt die Sauerstoffsättigung in etwa 93 bis 99 Prozent. Mit der reduzierten Höhenluft, sinkt die Sauerstoffsättigung. Da ich Asthmatiker bin, merke ich schnell, dass ich mehr Luft holen muss, um nicht zu tief zu sinken. Jutta bat mich darauf zu achten, nicht unter 80 Prozent der Sauerstoffsättigung zu fallen, sonst Maske weg oder eben mehr atmen. Das erstaunliche ist, ich muss mich am Anfang wirklich sehr konzentrieren, aber ich gewöhne mich schnell daran. Der zweite Durchgang lief schon viel besser, ich blieb im vorgegebenen Rahmen und freute mich. Als ich aufstand, spürte ich meinen Kopf, ein bisschen schwindelig war mir für einen kurzen Moment.

Aktives Höhentraining

Danach ging es in die Umkleide und ab in den kühlen Trainingsraum. Die Klimaanlage lief. Und manchmal sprang ein Generator an, der einzelne Zimmer mit sauerstoffarmer Luft versorgt. Im Trainingsraum standen vier Trainingsgeräte, zwei Laufbänder, ein Crosstrainer und ein Liegefahrrad.”

Bei 2. 000 Meter ist die sogenannte Reaktionsschwelle, ab hier beginnt die Adaption des Organismus auf die Höhe (Quelle: http://www.meikekrebs.de/downloads/wissenschaft/meike_krebs_hoehentraining.pdf).

Der Raum hat 2.500 Höhenmeter. Bei Höhen über 2.500 hm kommt es bereits bei Belastungsintensitäten zwischen 50 bis 75 Prozent der maximalen Herzfrequenz zu Erschöpfungen, wie ich weiß. Also achte ich besonders auf meine Werte. Im Fokus: die Sauerstoffsättigung. Für mich ist das erste Training wirklich eine Herausforderung, um nicht unter die 80 Prozent zu fallen. In den nachfolgenden Trainingseinheiten der nächsten Wochen fällt es mir zunehmend leichter. Der Trick: mehr atmen. Ich glaube, das bringt mir als Asthmatiker richtig viel, immer mit Blick auf den Sauerstoffsättigungswert. Der Puls ist niedrig, im Recom-Bereich. Mein Herz hat sich schon immer über meine schwächelnde Lunge lustig gemacht. „Was das findest du schon anstrengend? ist doch gar nichts!“ scheint es der Lunge zu zurufen. Und die Beine stimmen zu. Den Blick auf die Wattwerte spare ich mir lieber – 40 bis 80 Watt, mehr trete ich nicht.

Schon erste Trainingseffekte?

Oh ja, bei mir passierte erstaunlich viel in den darauffolgenden Trainingseinheiten, jedes Mal waren die Trainingstage nach dem Höhentraining kleine Highlights. Ich schwamm meine 200-Meter-Intervalle bis zu 15 Sekunden schneller. Und auch die von mir gefürchteten Atemverknappungsübungen – erst tauchen, dann steigern bis zum Sprint – vielen mir deutlich leichter.

Auch muskulär fühlte ich mich stärker, meine Radleistung zeigte Outdoor gute Verbesserungen. Ich war begeistert. Und hielt mein Programm ein. Zwei Mal in der Woche ging ich zum Rekom-Training ins Institut für Höhentraining. Drei Wochen lang.

Gefahren

Ich habe in den letzten eineinhalb Jahren ein sehr starkes Immunsystem gehabt, doch nach einer dreistüdigen Radausfahrt am 7 Grad kühlen Ostersamstag, war ich angeschlagen. Danach hat mir das Höhentraining drei Tage später den letzten Stoß in die Erkältung gegeben. Das Feingespür, rechtzeitig eine Höhentrainingseinheit wegzulassen, wenn man angeschlagen ist, geht wohl am besten über die Messung des Ruhepulses am Morgen. Wenn Halsweh und/oder Schnupfen da sind, Finger weg vom Höhentraining!

Wenn ich wieder richtig fit bin, werde ich es weiter ausprobieren und berichten.

 

Text: Daniela Dihsmaier/Freiwasser.com
Fotos: privat