Frauen sind in Sachen Leistungsentwicklungnicht die Miniaturausgabe von Männern. Welche geschlechtsspezifischen Unterschiede es während der sportlichen Belastungen und während der Regeneration gibt, weiß Caroline Rauscher.
Nur wenn man sich der physiologischen und für den Sport relevanten Geschlechtsunterschiede bewusst ist, kann man differenzierte Strategien für Männer und Frauen entwickeln, um eine maximale Trainingsadaption und Regeneration zu erreichen. Beide Punkte bestimmen die individuelle Leistungsentwicklung eines jeden Athleten maßgeblich mit, egal ob Frau oder Mann.
Die meisten Untersuchungen im Bereich Sportphysiologie wurden in der Vergangenheit ausschließlich mit männlichen Athleten durchgeführt. Bis in die achtziger Jahre war man der Meinung, dass physiologischen Reaktionen auf Trainingsreize bei Männern und Frauen identisch sind. Ausgehend von dieser Annahme, wurden sowohl Trainingsprogramme als auch Regenerationsstrategien unabhängig vom Geschlecht erstellt und empfohlen. Mit der Zeit kristallisierte sich heraus, dass einige physiologischen Reaktionen auf das Training bei Frauen durchaus bestimmte Besonderheiten aufweisen. Mittlerweile sind geschlechtsbasierte Unterschiede, im Hinblick auf physiologische Trainingsreaktionen, seit vielen Jahren Gegenstand intensiver Forschungen.
Vorteil für Frauen bei Ultradistanzen
Auch wenn man es sich heute nicht mehr vorstellen kann, aber Frauen war bis 1984 in Los Angeles tatsächlich der Start beim olympischen Marathon versagt. Obwohl Frauen den Marathon absolut gesehen langsamer laufen als Männer auf einem vergleichbaren Leistungsniveau, performen sie bei Ultradistanzen besser als Männer. Den Grund dafür sehen Wissenschaftler vor allem darin, dass Frauen während körperlicher Belastung eine größere Kapazität im Bereich der Fettverbrennung haben. Dadurch stabilisieren sie während langer sportlicher Belastung ihren Blutzuckerspiegel und schonen auf diese Weise die wertvollen Kohlenhydratspeicher in der Muskulatur.
Das Sexualhormon Estrogen macht den Unterschied
Egal welche Überlegungen man im Hinblick auf Stoffwechselunterschiede zwischen Geschlechtern anstellt, sie müssen immer aus dem Blickwinkel des unterschiedlichen hormonellen Umfelds von Männern und Frauen erfolgen. Zahlreiche Studien konnten zeigen, dass das weibliche Sexualhormon Estrogen, maßgeblichen Einfluss auf die Energiegewinnung hat. So besteht bei weiblichen Athleten eine geringere Abhängigkeit von den Kohlenhydratspeichern in der Leber, eine größere Verfügbarkeit und Verwertung von Fettsäuren sowie ein verringerter Aminosäureabbau während sportlicher Belastungen im Vergleich zu Männern. So greifen Frauen während Belastungen bei rund 65 Prozent der VO2max weniger auf Eiweiß zum Zweck der Energiegewinnung zurück. Das gleiche gilt für die anschließende Regenerationsphase. Estrogen hat zudem Auswirkungen auf das Stresshormonsystem im Körper, was in einem niedrigeren Stresshormonspiegeln resultiert. Ein niedrigere Stresshormonspiegel während der Belastung schont zudem die Kohlenhydratspeicher – sowohl in der Leber als auch in der Muskulatur und forcieren die Fettaufspaltung.
ACHTUNG: Nichtsdestotrotz ist es dennoch bei Frauen besonders wichtig, dass sie während intensiver Belastungen auf ausreichendeKohlenhydratzufuhr achten, um einem übermäßigen Anstieg von Interleukin 6 (entzündungsfördernde Proteine) und Hepcidin (ein Protein, das Eisenaufnahme reguliert) entgegenzuwirken. Ansonsten wird das Immunsystem geschwächt und entzündungsfördernde Prozesse sowie das Entstehen von Eisenmangel begünstigt. Dies gilt sowohl für Belastungs- wich auch für Regenerationsphase.
Auswirkungen des Menstruationszyklus auf den Stoffwechsel
Immer wieder wird diskutiert, welche Auswirkungen die verschiedenen Zyklusphasen auf den Energiestoffwechsel haben. In Forscherkreisen existieren hier durchaus kontroverse Ansätze. Es hat sich jedoch der Standpunkt herauskristallisiert, dass der Einfluss der zyklisch schwankenden Hormonkonzentrationen auf den Leistungsstoffwechsel eher sekundär ist. Wichtigere Faktoren im Vergleich liegen in den Bereichen Energieverfügbarkeit, Belastungsintensität sowie dem gesamte Energieverbrauch während der Belastung.
Auf eine ausreichende Kohlenhydrat- und Fettzufuhr achten
Was die Schnelligkeit der Auffüllung von körpereigenen Glykogenspeichern nach intensiven Belastungen anbelangt, besteht kein Unterschied zwischen Männern und Frauen. Vorausgesetzt es wird die adäquate Menge an Kohlenhydraten sofort nach der Belastung und über den Tag verteilt zugeführt. Dies gilt auch für hochwertige Proteine, um sämtliche Regenerations- und Adaptionsprozesse möglichst effektiv zu unterstützen. Unter Einbeziehung der Basisernährung eines Athleten, darf jedoch die ausreichende Zufuhr an wertvollen, gesunden Fetten nicht außer Acht gelassen werden. Diese ist sowohl für Männer als auch für Frauen sehr wichtig. Jedoch neigen weibliche Athleten, aber auch sehr oft Männer dazu, die Fettzufuhr zu stark zu drosseln, aus Angst vor zuzunehmen.
Ernährungsformen, die extrem fettreduziert sind, schaden jedoch nicht nur der Gesundheit, sondern führen auch zu einer Reduktion intramuskulärer Fettspeicher. Freie Fettsäuren sind sehr wichtig für die Regenerationsphase des Körpers, besonders für Athleten, die auf langen Distanzen unterwegs sind oder mehrmals am Tag trainieren. Liegt die Fettzufuhr in Bereich von unter 10 bis 15 Prozent der täglichen Energieaufnahme, führt das sehr wahrscheinlich während intensiver Trainings- und Wettkampfphasen zu Leistungseinbußen. Weibliche Athleten sollten deswegen darauf achten, ausreichend pflanzliche Öle (Olivenöl, Rapsöl, Kürbiskernöl), Nüsse, Samen und fette Fische (Lachs, Hering, Makrele) in ihren täglichen Speiseplan einzubauen.
Proteinzufuhr bei Frauen und Männern gleich wichtig
Während aerober Trainingseinheiten erhöht sich auch der Abbau von Eiweißstrukturen, sprich der Aminosäuren. Aus diesem Grund, sollte die tägliche Proteinzufuhr sowohl bei weiblichen als auch bei männlichen Athleten angepasst werden. Bei weiblichen Athleten sollte die Eiweißzufuhr höher sein, als die Standardempfehlungen. 1,4-1,8 g/kg Körpergewicht gelten als adäquat für Kraft ausdauerbetontes Training. Besonders wichtig ist eine ausreichende Proteinversorgung für Frauen, deren monatliche Regelblutung ausbleibt. Hochwertige tierische Proteine liefern alle notwendigen Aminosäuren. Gerade für Vegetarierinnen und Veganerinnen, ist es sehr wichtig, pflanzliche Proteinquellen intelligent aus unterschiedlichen Quellen wie zum Beispiel Nüssen, Vollkorn Produkten, Hülsenfrüchten zu kombinieren. Wer ausschließlich auf pflanzliche Proteinquellen zurückgreift, sollte sich bewusst sein, dass möglicherweise Defizite im Bereich von Eisen, Vitamin B 12, B 2, B 1 sowie Vitamin D, Kalzium, Phosphor Zink auftreten können. Regelmäßige Laborkontrollen helfen, frühzeitig Defizite zu erkennen. Mit einer angepassten Mikronährstoffe-Versorgung kann man diese Lücken gut ausgleichen und Mangelsituation präventiv vorbeugen.
Frauen ermüden langsamer und regenerieren schneller
Während kurzer hochintensiver Belastungen, bezieht der Körper seine Energie vor allem aus dem sogenannten Phosphokreatin-System und vom Abbau der körpereigenen Kohlenhydratspeicher. Bei Frauen kommt es während derartigen Belastungen zu niedrigeren Laktatwerten im Vergleich zu Männern, was zeigt, dass Männer ihre Energie in einem höheren Maße aus den Abbau von Kohlenhydraten generieren, als Frauen. Der Grund dafür liegt hier u.a. in einer unterschiedlichen Zusammensetzung der Muskelfasern und oder einer höheren Aktivität der entsprechenden Enzyme. Diese unterschiedliche Zusammensetzung der Muskelfasertypen ist auch mit ein Grund, warum beispielsweise die Muskulatur von Frauen weniger schnell ermüdet, als die von gleich fitten Männern. Auf diese Weise häufen sich in der weiblichen Muskulatur weniger muskelermüdenden Abbauprodukte an. Frauen recyceln auch in der anschließenden Regenerationsphase energiereiche Phosphate (ATP) effektiver als Männer, was sie in die Lage versetzt, schneller wieder intensive, kurze Trainingseinheiten zu absolvieren.
Folge von Energiedefizite sind chronische Müdigkeit
Die Aufrechterhaltung der täglichen Energieverfügbarkeit ist ein Thema, dem gerade bei weiblichen Athleten eine große Bedeutung zukommt. Natürlich gibt es auch Männer, die unter der notwendigen täglichen Energiemenge bleiben, aber öfter sind es Frauen, die dazu neigen, zu wenig Energie zu sich zu nehmen. Grund dafür ist, dass viele Frauen entweder abnehmen wollen, oder Angst davor haben zu viel Körperfett aufzubauen. Eine negative Energiebilanz geht einher mit chronischer Müdigkeit, verminderte Aufmerksamkeit, Schlafstörungen erhöhten Eiweißabbau, der sich in verschlechterten muskulären Regenerationsprozessen niederschlägt. Außerdem sind auch die feinen hormoneller Systeme betroffen. Die Konzentrationen im Bereich Stress-, Sexual- und Schilddrüsenhormone verändern sich. Folglich kommt es zu Störungen im Menstruationszyklus sowie der Knochengesundheit, die Zahl der Knochenverletzungen steigen an, ebenso ist ein Rückgang des Ruheumsatzes und das Auftreten diverser anderer Erkrankungen zu beobachten. Der weibliche Organismus reagiert außerdem wesentlich empfindlicher auf eine zu geringe tägliche Energiezufuhr, als dies bei Männern der Fall ist.
Krafttraining wirkt anders auf Frauenmuskulatur
Jeder Sportler kennt diese Trainingseinheiten: Stunden später bzw. an den folgenden Tagen schmerzen einzelne Muskelgruppen oder im schlimmsten Fall der ganze Körper. Diese, als Muskelkater beschriebene Symptomatik, ist die Summe verschiedenster physiologische Störungen, die in den Muskelzellen und in den Zwischenräumen der Muskelzellen ablaufen: entzündliche Prozesse, Wassereinlagerungen, Zerfall von Muskelfasergewebe etc. Spezielle Regenerationsstrategien für Frauen nach derartig harten Belastungen, müssen so ausgelegt sein, dass sie immer das Ausmaß der Zellschädigung bzw. auch das Ausmaß der entzündlichen Reaktion im Blick haben. Verschiedenste Studien haben gezeigt, dass die Muskulatur von Frauen bei Krafttrainingseinheiten stärker geschädigt wird, als die von Männern. Gerade deshalb, müssen Regenerationsstrategien nach Krafteinheiten genau dieser Problematik Rechnung tragen. Bei Frauen setzen zum Beispiel Entzündungsreaktionen nach intensiven Belastungen eher ein als bei Männern, sind aber auf einen längeren Zeitraum gesehen, schwächer in der Ausprägung. Der Grund dafür sind komplexe Vorgänge auf Zellebene. Aus diesem Blickwinkel erscheinen vor allem Regenerationsstrategien, die mit Kälte arbeiten, um Entzündungsreaktionen im Körper zu reduzieren, besonders bei Frauen als nützlich und empfehlenswert.
Was verhindert den Knochenabbau?
Die meisten körperlichen Belastungen verursachten starken Druck auf unser Skelett. Die Mechanismen, die der Neubildung von Knochengewebe und damit dem Knochenaufbau zu Grunde liegen, hängen maßgeblich von der Kalzium- und Vitamin D-Zufuhr, der täglichen Energieaufnahme sowie vom Hormonstatus ab. Die tägliche Zufuhr Empfehlung für Kalzium für Frauen ist altersabhängig. Für Mädchen bis zum 18. Lebensjahr werden zum Beispiel rund 1.300 mg pro Tag empfohlen, für Frauen zwischen 19 und 50 Jahre circa 1.000 mg proTag. Calcium wird beispielsweise aus Milchprodukten oder anderen calciumhaltigen Lebensmitteln besser aufgenommen, als aus Nahrungsergänzungsmittel. Eine schlechte Calciumversorgung hat außerdem negative Auswirkungen auf die hormonellen Systeme, deren richtige Balance unverzichtbar für gesunde Knochen ist. Gerade für junge Frauen ist es sehr wichtig, ausreichend Energie während und nach intensiver Trainingsphasen zu sich zu nehmen, um ihr persönliches Maximum an Knochenmasse aufbauen zu können. Ansonsten droht ein Knochenabbau. Auch Vitamin D ist ein wichtiger Faktor für gesunde Knoche. Deshalb ist es empfehlenswert, mehrmals jährlich seinen Vitamin D-Status vom Arzt bestimmen zu lassen, um dann die Werte mit einer entsprechenden Zufuhr von Vitamin D in einen optimalen Bereich zu bringen. Zudem kann man durch einen ausreichende Proteinzufuhr den Knochen etwas Gutes tun und das Risiko von Stressfaktoren sowie auf lange Sicht das Risiko von Osteoporose reduzieren.
Caroline Rauscher ist studierte Pharmazeutin mit Weiterbildung im Bereich Ernährung. Sie besitzt fundierte Kenntnisse im Bereich der Leistungsphysiologie. Ihre Kontakte zu weltweit führenden Forschern nutzt sie u.a. für eine optimale und individuelle Konzeption von Sportgetränken, für die Herstellung von Mikronährstoffen je nach Bedarf eines Sportlers sowie für die Ernährungsberatung von Profis und Amateuren. Sie betreut international erfolgreiche Winter- und Sommersportler. Darunter bekannte Namen wie Laura Philipp, Nils Frommhold und Florian Angert. Mehr Infos
Foto: Ingo Kutsche