Sport und (meine) Schwangerschaft

Anja Ippach Profi-Triathletin und werdende Mama spricht sehr persönlich über ihre Gedanken und Gefühle bei ihrer ersten Schwangerschaft und wie sie ihr Training gestaltet.

Für viele passen Sport und Schwangerschaft nicht unbedingt zusammen und es gibt sehr viele verschiedene und auch gegensätzliche Meinungen zu diesem Thema. Die Empfehlungen reichen von “gar keinen Sport machen”, über “nicht länger als 15 bis 30 Minuten Sport am Tag”,  bis hin zu „nicht über 140 Puls trainieren” … und vielen anderen Aussagen mehr.

Der Grund dieser sehr verschiedenen Ansichten liegt wohl darin, dass es einfach sehr wenig Studien mit schwangeren Frauen un Sport gibt und daher kaum Datenmaterial.

Jede Frau ist anders

Ich persönlich glaube, dass jede Frau und jede Schwangerschaft anders ist und somit auch die sportliche Aktivität nur die Frau und das Baby bestimmen und richtig „dosieren“ können.

Sport gehört zu meiner Identität

Als langjährige Leistungssportlerin ist der Sport nicht nur mein Job, sondern Teil meiner Identität.
Da sich in der Schwangerschaft wahnsinnig viel ändert, ist es für mich wichtig, meinen Sport, wenn auch in einem anderen Maße und mit einem anderem Ziel, weiter zu machen und weiterhin einen Trainingsplan zu haben, der mir einen Tages- und Wochenrhythmus vorgibt.

Besonders froh bin ich, dass ich mit meiner Trainerin Susanne Buckenlei eine erfahrene Frau an meiner Seite habe, die selbst als ehemalige Profiathleten vor drei Jahren Mama wurde und als Coach schon einige Frauen durch die Schwangerschaft begleitet hat. Mit diesem Know-how und meinem Vertrauen in mein Körpergefühl stimmen wir mein tägliches Training ab.

Ich vertraue auf mein Körpergefühl

Ziel ist natürlich nicht die Leistungsentwicklung,  wie sonst in meinem Training, es geht um die Gesundheit und das Wohlbefinden von mir und meinem Baby und darum, dabei meine allgemeine Fitness so gut und so lange es geht zu erhalten. Das langfristige Ziel ist es, wieder erfolgreich in den Sport einzusteigen und körperlich sowie mental gut durch die Schwangerschaft zu kommen.

Profisportlerin und schwanger, Anja 'Ippach

1.Trimester (Sept-Dezember)

Training:
In den ersten drei Schwangerschaftsmonaten war mein Training noch relativ normal. Da es gerade erst mit dem Wiedereinstieg in das Training und die neue Saison losging, waren sowohl der Trainingsumfang- sowie die Intensität saisonbedingt reduziert. Der Fokus lag, wie immer zu dieser Jahreszeit auf Technik und dem Grundlagenaufbau.

Im Dezember absolvierte ich ein zweiwöchiges Trainingslager auf Fuerteventura mit normalem Trainingsumfang von 25 bis 30 Stunden. Allerdings merkte ich, dass das Laufen in den Trails schon etwas langsamer ging und ich bergauf schnell aus der „Puste“ kam.

Zudem fühlte ich mich beim Fahren in der Gruppe sehr unwohl und hatte Sorge bzgl. eines Sturzes, daher bin ich nur alleine oder mit meiner lang vertrauten Trainingskollegin Anja Knapp gefahren.

Aufgrund einer Technikumstellung beim Laufen waren meine Laufkilometer geringer als sonst üblich und der Fokus lag klar auf Qualität (saubere Technik) anstatt auf Quantität.

Im Dezember haben meiner Trainerin und ich angefangen ein bis zwei Laufeinheiten pro Woche in das Wasser zu verlegen. Das bedeutet ab ins Wasser zum Aquajogging.

Hormone:
Auch wenn das Training und meine Ernährung noch „normal“ sprich wie immer waren, habe ich die Veränderungen in meinem Körper schon deutlich gespürt. Um ehrlich zu sein, hatte ich in den ersten Wochen und Monaten meiner Schwangerschaft auch die größten Probleme mit diesen körperlichen Veränderungen. Für mich als Leistungssportlerin ist es ungewöhnlich, weibliche Rundungen zu haben daher empfand ich die größere Oberweite eher als unangenehm. Die ersten Kilos waren für mich gefühlt die schwersten.

 

Auch wenn man optisch noch nicht schwanger ist, laufen in den ersten Monaten viele körperliche Veränderungen auf hormoneller Ebene ab. Ich hatte zwar ein anderes Körpergefühl, aber ich dachte, dass ich mich erst richtig „schwanger“ fühlen darf und kann, wenn auch ein Babybauch zu sehen ist.

Anja Ippach, Profitriathletin

 

Ich musste feststellen, dass ich trotz der noch relativ vielen Trainingseinheiten keinerlei Verhärtungen gespürt habe. Ich glaube, dass schon in den ersten Wochen meiner Schwangerschaft die Relaxin-Bildung („Weichmacher von Bändern und Gelenken) in vollem Gange und spürbar war.

Sportlich lief alles nach Plan, allerdings hatte ich vor allem in den ersten Wochen große Bedenken wie meine Partner und Sponsoren reagieren würden. Auch wenn die Schwangerschaft absolut gewollt und „geplant“ war, kamen diese Gefühle und Gedanken erst als es soweit war.

2. Trimester (Dez-Februar)

Zu Beginn des 2. Trimesters sprach ich mit meinen Sponsoren und war sehr überrascht und gleichzeitig erleichtert, dass wirklich ALLE positiv reagiert haben und sich sehr für mich und meinen Mann freuten. Durch individuelle Vereinbarungen konnte ich mit jedem Sponsor einen guten Weg durch die Zeit der Schwangerschaft finden.

Stolze werdende Mama, Anja Ippach

Sport ohne Leistungsdruck

Mit jedem weiteren Monat wurde mein Leben entspannter und die Freude am täglichen Sport größer. Nach 20 Jahren Leistungssport diesen schweren „Rucksack“ des Leistungsdrucks abzulegen tat und tut gut.

Gerade über die letzten zwei Jahre, in denen ich viel Zeit, Geld, Schweiß und Blut in den Sport investiert und im Verhältnis dazu nicht den erwünschten Output erzielte, musste ich feststellen, dass ich mental und körperlich ausgebrannt war.

Die Trainingseinheiten ohne Blick auf Pace und Puls, sondern nur nach Gefühl, taten mir gut. Darüber hinaus gab mir jede sportliche Einheit Energie. Normalerweise ist es gerade umgekehrt – der Leistungssport kostet mich wahnsinnig viel Kraft und Energie und zwar nicht nur körperlich, sondern vor allem auch mental. Das tägliche Überschreiten der Schmerzgrenze erschöpft Körper, Geist und Seele. Und in den letzten Jahren musste ich feststellen, war ich sehr erschöpft – mehr als ich mir selbst eingestehen wollte. Aber, wenn man sich nur im Wohlfühlbereich bewegt, ist das anders. Sport ist dann ein wahrer Energiespender.

Sport als Energiespender

Hinzu kam, dass ich viele Einheiten nun mit meinem Partner absolvieren kann und wir so viel Zweisamkeit haben wie nie zuvor. Aus Sicherheitsgründen und auch wegen des wachsenden Bauchumfangs fahre ich jetzt nur noch auf der Rolle und dem Gravelbike, fernab des Verkehrs.

Die Kräftigung des Beckenbodens wurde zum festen Trainingsbestandteil und im Krafttraining reduzierte ich immer mehr das Gewicht und erhöhte die Wiederholungszahl auf 20 bis 30 Mal.

Weiblichkeit als Stärke

Mit dem Wachsen des Babybauchs habe ich zum ersten Mal in meinem Leben angefangen, die Weiblichkeit als Stärke und kleines Wunder zu erleben. Ich glaube jede Frau, die schon einmal schwanger war oder ein Kind zur Welt bringen durfte, steht der weiblichen Kraft und Natur anders gegenüber.

Während ich sonst als Sportlerin meine Weiblichkeit, Hormone und Zyklus meist als leistungshemmend und störend empfand, kann ich nun sagen, dass es wundervoll ist, eine Frau zu sein und ein Leben schenken zu dürfen.

3. Trimester (März-Mai)

Meine Trainerin und ich sind überrascht, dass das Training im neunten Monat noch so gut klappt. Beim Radfahren vermeide ich zwar lange und steile Anstiege, aber im Flachen „rollt“ es noch gut.

Aufgrund der geschlossenen Bäder vermisse ich zwar das Schwimmen und denke, dass dies noch super gehen würde und vor allem guttun würde. Aber auch das „Trockenschwimmen“ und Krafttraining geht noch. Das Laufen wird jetzt in den letzten fünf Wochen eher ein Run & Walk, aber ich merke, dass meinem Baby und mir die tägliche Bewegung, die frische Luft und die Natur sehr gut tun.

Was ich deutlich merke ist, dass ich in der gesamten Schwangerschaft deutlich mehr Schlaf  brauche als sonst – bis zu 10 Stunden. Vor allem in den Mittagsstunden „zieht“ es mir förmlich den Stecker und ich fühle mich wie ein Murmeltier.

Mehr Achtsamkeit für mich selbst

Ich muss auch feststellen, dass ich durch die Schwangerschaft wieder zu mir selbst gefunden habe.

Als Leistungssportler ist man viel im „Außen“ unterwegs. Man wird anhand seiner Leistung gemessen (was auch gut ist), aber manchmal verliert man den Kontakt zu sich selbst. Man kontrolliert, diszipliniert, plant und „funktioniert“ einfach nur noch. Man überhört die Signale seines Körpers, wie Hunger, Schlaf und Müdigkeit und überhört die Stimmen, die einem manchmal sagen, dass man aufhören soll und dringend eine Pause braucht.
Man versucht 365 Tage im Jahre, das Wettkampfgewicht zu halten und irgendwie immer fit zu sein.

Mit der Schwangerschaft richtet sich mein Blick Monat für Monat mehr nach Innen und die ganzen „äußeren Zwänge“ und Äußerlichkeiten verschwinden.

Ich hoffe, dass ich diese Gefühle der eigenen Achtsamkeit, das positive Erleben der Weiblichkeit und den Weg zu mir selbst mit in die nächste Lebensphase und sportliche Karriere nehmen kann.

Ich freue mich auf alles was, kommt und bin schon sehr gespannt wie alles wird.

Text: Anja Ippach
Fotos: Michael Klampfl