Glaub an dich

Julia und Patrick Lange

Einfach machen, nicht immer überlegen, bis Zweifel aufkommen – das war schon immer die Devise von Julia Lange, der Frau des zweifachen Ironman-Hawaii-Siegers Patrick Lange.

Egal, ob im normalen Leben oder beim Sport. Für die 27-Jährige hat es sich bisher immer ausgezahlt, mutig durchs Leben zu gehen und auf das eigene Herz zu hören.

Genau mit dieser positiven Einstellung lernte die studierte Betriebswirtin und Wirtschaftsinformatikerin im Spätjahr 2017 Patrick Lange kennen, ohne überhaupt zu wissen, wer er war. Mit Triathlon hatte sie bis zu diesem Zeitpunkt absolut nichts zu tun. Ins Gespräch kamen die beiden an einer Hotelbar auf Mallorca. Julia, geborene Hofmann, hatte eine Freundin spontan in ein Wellness-Wochenende begleitet. Patrick war mit einigen Jungs eines Profi-Radteams auf der Baleareninsel am Trainieren. Völlig ahnungslos und unbedarft in Sachen Triathlon und Radsport kam sie mit der Gruppe um Patrick ins Gespräch. „Ich wusste weder, welche Distanz man genau bei einem Ironman absolviert, noch dass Patrick der amtierende Ironman-Hawaii-Sieger des Jahres 2017 war“, gibt Julia lachend zu und ergänzt: „Aber das hielt mich zum Glück nicht davon ab, mit Patrick und den anderen Jungs den ganzen Abend über alles Mögliche zu quatschen.“

Begeisterung pur

Schon an diesem ersten Abend überzeugte Patrick Julia, am nächsten Tag das erste Mal in ihrem Leben auf ein Rennrad zu steigen. In normalen Hosen und Turnschuhen versteht sich, denn eine andere Ausstattung besaß sie damals nicht. Dafür ging es direkt mit den Profis über die beliebte Radsportinsel. „Ich habs einfach gemacht. Völlig blauäugig, aber ich war total begeistert von der dreistündigen Tour“, berichtet die 27-Jährige grinsend. Dazu muss man allerdings wissen, dass auch Julia leidenschaftliche Sportlerin ist, sie arbeitete damals unter anderem als Trainerin in Berlin und hatte zu diesem Zeitpunkt sportlich bereits im Dreikampf, Fußball und Basketball aktiv Erfahrung gesammelt. Sprich, sie war fit, wenngleich Rennradfahren komplettes Neuland für sie bedeutete. Doch schon nach den ersten Kilometern im Sattel hatte sie Blut geleckt, die Radsportleidenschaft war entfacht. Und nicht nur die. „Das klingt jetzt zwar sehr kitschig, aber von Patrick war ich von der ersten Sekunde an mindestens genauso begeistert. Noch nie zuvor spürte ich bei einem Mann von Anfang an eine solche Verbindung wie bei Patrick. Ich habe sogar meinen Rückflug umgebucht, was für mich völlig untypisch ist, da ich mich nicht so schnell aus dem Konzept bringen lasse. Ich wollte unbedingt die Chance nutzen, Patrick besser kennenzulernen und natürlich auch herausfinden, ob er auch Gefühle für mich hatte“, sagt die quirlige Dunkelhaarige und gibt dies ganz offen zu Protokoll.

Julia Lange auf dem Rennrad in den Bergen

Klartext reden

Wir haben von Anfang an sehr ehrlich miteinander geredet und die Karten auf den Tisch gelegt: „Patrick hat mir gleich gesagt, dass es nicht immer einfach ist, mit einem Profisportler zusammen zu sein. Vermutlich hatte er Angst, dass ich ein absolutes Partygirl aus Berlin sein könnte und schnell enttäuscht wäre, wenn er nach dem Training zu müde wäre, um noch auszugehen. Mir war von Anfang an klar, dass Profisport Profisport ist – egal in welcher Sportart – und dass der Sport bei jedem Profisportler der Lebensmittelpunkt ist. Anders geht das nicht, aber all das schreckte mich nicht ab. Ich finde es toll, wenn man als Mensch für etwas brennt, und denke, dass man solche Leidenschaften unterstützen sollte.“ Eine Fernbeziehung wollten beide nicht, sodass einmal mehr Julias spontane Art und ihr Lebensmotto „Folge deinem Herz“ zum Tragen kamen. Der nächste kleine Härtetest stand wenige Wochen nach Mallorca an. Es ging ins Langlauf-Trainingslager nach St. Moritz, in eine Sportler-WG mit Patrick und zwei weiteren Triathlonprofis. Danach war für beide klar, dass ihre Beziehung eine gute Chance hatte. Der Rest ist Geschichte. Seit einem Jahr sind sie verheiratet.

„Mir war von Anfang an klar, dass Profisport Profisport ist – egal in welcher Sportart – und dass der Sport bei jedem Profisportler der Lebensmittelpunkt ist. Anders geht das nicht.“

Sieg und Niederlage …

Seit sich Julia und Patrick kennen, ist viel passiert. Zum einen wurde Patrick zum zweiten Mal Ironman-Sieger auf Hawaii, blieb als erster Triathlet auf der Pazifikinsel unter der magischen 8-Stunden-Marke und machte kurz nach dem Zieleinlauf vor laufenden Kameras Julia einen Heiratsantrag. Es folgte ein Medienmarathon, und das öffentliche Interesse war riesig. Aber dann gab es auch noch das Jahr 2019. Eine verkorkste Saison, bei der es bei Patrick nicht so recht laufen wollte, viel über seine Form und sein Standing bei andern Profikollegen geschrieben wurde, und zu guter Letzt folgte ein Did-not-Finish auf Hawaii.

„Es ist klar, dass nicht jede Saison perfekt laufen kann, und es ist logisch, dass es nicht immer einfach ist, im Rampenlicht zu stehen und Artikel und Kommentare auf den diversen Kanälen zu lesen. Aber diese Seite des Profisports gehört auch zum Geschäft. Ich wusste, dass es nicht immer leicht werden wird. Ausblenden kann man die Medien und alles Drumherum heute nicht mehr. Es prasselt viel auf einen ein, und man leidet immer mit. Allerdings habe ich das Gefühl, dass unsere Beziehung mit all diesen Herausforderungen weiter wächst und alles Erlebte schweißt uns noch mehr zusammen. Man muss lernen, damit umzugehen, und muss akzeptieren, dass man es nie allen recht machen kann. Klar ist auch: Ich sehe Patrick mit meinen Augen, als Mensch, nicht als Profisportler. Wir reden viel und das hilft uns, besser mit allem umzugehen“, so erklärt Julia ihr Leben an der Seite von Patrick.

… und andere Herausforderungen

Das Jahr 2020 mit seinen vielen Corona-bedingten Rennabsagen ist für alle Profisportler eine große Herausforderung. Dabei fing das Jahr für Julia und Patrick sehr positiv an. Patrick hatte nach seinem Trainerwechsel über den Winter eine gute Form aufgebaut, und die ersten Trainingslager im Süden verliefen vielversprechend. Von einem Moment auf den anderen war plötzlich aufgrund der COVID-19-Pandemie alles anders. „Es gab und gibt keine Planungssicherheit – Patrick ist momentan quasi berufsunfähig. Natürlich ist es extrem schwierig, die Motivation hochzuhalten, aber es kommen bestimmt auch wieder bessere Tage“, meint Julia und versucht, die Situation optimistisch zu sehen.

Julias Fazit nach knapp drei Jahren an Patricks Seite ist mehr als positiv:

„Ich mache das, was mir viel Freude bereitet. Der Triathlonsport hat mir schon jetzt sehr viel gegeben. Ich durfte tolle Menschen kennenlernen, bin viel gereist und habe viele Erfahrungen sammeln dürfen, die mein Leben unglaublich bereichert haben. Patricks Hawaii-Sieg in 2018 war sehr, sehr emotional. Dieses Erlebnis nimmt uns keiner mehr, und mit diesen Gedanken im Kopf geht es sich auch leichter durch stürmische Zeiten.“

In einem Jahr vom Nicht-Schwimmer zur Halbdistanz

Julias erster Eindruck vom Triathlon war: „Puh, da steckt ganz schön viel Trainingsaufwand dahinter. Nachdem mir das Radfahren allerdings so viel Spaß machte, wollte ich auch unbedingt den Triathlonsport selbst kennenlernen. Dafür musste ich allerdings zunächst richtig Kraulen lernen. Nicht ganz einfach, wenn man nur von guten Schwimmern umgeben ist. Aber ich gab mir einen Ruck und sagte mir, dass es egal ist, was die Profis auf den Nachbarbahnen über mich dachten, als ich japsend meine ersten Schwimmversuche startete. Ich habs einfach durchgezogen und bin drangeblieben.“

„Glaubt an Euch. Gebt nicht zu früh auf. Blickt nicht zu viel nach rechts und links, sondern macht das, was für Euch das Richtige ist. Triathlon ist ein genialer Sport. Es lohnt sich.“

Julias Projekt „Mein erster Triathlon“ war ziemlich erfolgreich. Innerhalb eines Jahres absolvierte sie eine Sprintdistanz und olympische Distanz und krönte ihre erste Triathlonsaison mit einem Start beim Ironman 70.3 in Zell am See. Ihre erste Halbdistanz konnte sie übrigens – bei nicht unerheblicher Konkurrenz in ihrer Altersklasse – gleich für sich entscheiden, was Julia im Gespräch allerdings gar nicht erzählte. Obwohl das Talent für die drei Sportarten ganz offensichtlich vorhanden ist, meint sie gelassen: „Ich mache den Sport, weil er mir Spaß macht und nicht, weil ich Ambitionen habe, sobald wie möglich einen Ironman zu finishen. Ich mag es, die eigenen Grenzen auszuloten, jedoch sollen dabei Spaß und Freude weiter im Vordergrund stehen.“ Und sie ergänzt: „Ein weiterer Grund für mich, Triathlon zu machen, war, die Welt von Patrick besser verstehen zu können. Ich wollte auf keinen Fall die Frau sein, die mit dem Essen verzweifelt zu Hause wartet und enttäuscht ist, wenn eine Trainingseinheit länger dauert als geplant. Mittlerweile weiß ich selbst, dass man zum Beispiel beim Radfahren schnell einen Hungerast bekommen, eine Panne haben kann oder die Strecke länger dauert als geplant, weil man sich mit der Distanz verschätzt hat. Mit diesem Wissen geht man definitiv anders mit dem Trainingsalltag eines Profis um.“

Glaube an Dich

Julias Botschaft an alle Frauen lautet: „Glaubt an Euch. Gebt nicht zu früh auf. Blickt nicht zu viel nach rechts und links. Schaut auf Euch und macht, was Euch guttut. Bleibt dran, auch wenns mal schwieriger wird. Triathlon ist ein genialer Sport, der einem unheimlich viel auch für das alltäglichen Leben bringt. Es lohnt sich“, so ihr Statement, das sie mit viel Überzeugung formuliert. Für Julias Geschmack trauen sich noch immer viel zu wenig Frauen, Ausdauersport zu machen. Sie hat lange mit keiner Frau trainiert, weil sie keine kannte und ist daher mangels Alternativen mit den Männern losgezogen. Dadurch hat sie oft viel zu hart trainiert. Gerne würde sie einen Teil dazu beisteuern, dass Frauen leichter den Einstieg in den Ausdauersport finden.

Derzeit arbeitet Julia an einem Konzept, das verschiedene Workshops für Frauen beinhalten soll. „Ich möchte mein Netzwerk nutzen, um beispielsweise Themen wie unangenehme Druckstellen vom Sattel und was man dagegen tun kann, umfassend zu besprechen. Über solche Themen redet man definitiv lieber unter Frauen, da ist die Hemmschwelle geringer und die Ratschläge, die man über diesen Weg bekommt, sind Gold wert. Außerdem bin ich ein Fan davon, sich gegenseitig zu unterstützen. Das sollten Frauen eh viel häufiger machen“, rät Julia und ergänzt: „Man muss nicht gleich alles verwissenschaftlichen und alle Wattwerte kennen, um Spaß am Triathlon zu finden. Was allerdings definitiv hilft, sind ein paar gut Trainingstipps und Ratschläge für den Anfang sowie ein bisschen Struktur in der Vorbereitung, denn man muss ja nicht alle Fehler selber machen.“

 

Triathletin Julia LangeJulia, eine Frau mit vielen Facetten

„Ich bin halb Amerikanerin, halb Österreicherin, geboren in den USA. Meine Eltern stammen beide aus Österreich. Gewohnt habe ich bereits an vielen Orten. Zum Beispiel in Wien und in Berlin. Ich liebe es, zu reisen und dabei immer wieder Neues zu entdecken. Seit eineinhalb Jahren lebe ich mit Patrick in Salzburg. Wir fühlen uns beide sehr wohl dort, und die Infrastruktur ist für Patrick als Triathlon-Profi perfekt.“

Ich habe BWL in Bonn und Wirtschaftsinformatik in Berlin studiert. Sport war aber schon immer meine größte Leidenschaft. Seit meinem 21. Lebensjahr arbeite ich nebenher als Personal-Trainerin und in diversen Fitnessstudios. Bevor ich Patrick kennenlernte, arbeitete ich in Vollzeit für eine bekannte Müslimarke in Berlin. Mittlerweile bin ich unter anderem im Marketing-Team von meinem Mann beschäftigt, kümmere mich um seine Social-Media-Kanäle und um viele organisatorische Dinge, um ihm den Rücken freizuhalten. Zudem habe ich noch ein paar eigene Projekte am Laufen. Das Gute ist, dass ich von überall auf der Welt arbeiten kann und somit Patrick meist auf seinen Reisen begleiten kann. Als Trainerin würde ich sehr gerne auch wieder mehr arbeiten. Derzeit mache ich online eine Ausbildung zum Triathloncoach und habe auch sonst noch ein paar Weiterbildungen im Kopf, die ich gerne in naher Zukunft machen möchte.“

Text: Meike Maurer
Fotos: privat